Predigt des hl. Johnnes von Avila

die unseren Ordensstifter bekehrte

Einleitung

Die Predigt, die der wortgewaltige Redner und „Apostel von Andalusien" Johannes von Avila am 20. Jänner 1539, dem Festtag des heiligen Sebastian, in der „Kartause der Märtyrer" hält, beeindruckt und erschüttert Johannes zutiefst. Johannes von Avila spricht über die wunderbare Rettung der Menschen durch Jesus Christus und über den Lohn, den Gott all jenen zuteil werden lässt, die Jesus nachfolgen und dafür Leiden und Schmerz auf sich nehmen.

 

Johannes von Avila erklärt in seiner Predigt, dass ein Christ immer danach trachtet, Gott zu dienen. Er will eher „tausendmal sterben als ihn beleidigen". Jene Christen jedoch, die Jesus Christus nicht kennen lernen wollen, vergleicht der Redner mit Kranken, die sich nicht heilen lassen wollen.

 

Die Worte des Johannes von Avila treffen den Buchhändler Johannes mitten ins Herz. Besonders die Stelle über die Menschwerdung Gottes beeindruckt ihn, wo der Redner darauf aufmerksam macht, dass nur dank dieser Selbstentäußerung Gottes sich die lahmen, blinden und kranken Menschen Jesus Christus zu nähern wagen – „und alle werden geheilt". In diesem Zusammenhang denkt der Prediger darüber nach, was wohl geschehen wäre, wenn Jesus Christus nicht „herabgestiegen" wäre.

 

Ehe Johannes das Geschenk der Hospitalität empfängt, um den Not leidenden Menschen den „gestalt- und menschgewordenen Gott der Barmherzigkeit" zu zeigen, setzt ein tiefer Bekehrungs- und Erneuerungsprozess bei ihm ein: Johannes gibt seinem Leben eine radikale Wende, aber es dauert noch länger, bis ihm der göttliche Plan für sein Leben klar ist.

 

 

Die Predigt, die Johannes von Gott bekehrte

IHS – Am Tag der heiligen Fabian und Sebastian

Als Jesus vom Berg stieg (vgl. Lk 6)

 

Wenn der Herr nicht vom Berg in die Ebene herabgestiegen wäre, d. h. von der Höhe seiner Majestät, um unsere Menschheit durch das Fleisch zu heilen, was wäre aus uns geworden? Wir wären in unserer Schwachheit geblieben. Wenn der Herr nicht das Kleid seiner Größe verlassen hätte, indem er es verbarg, und sich nicht mit der Schürze unserer Menschheit umgürtet hätte, um uns zu waschen, wären die Menschen voll von Elend und Schändlichkeit geblieben. Wenn der große Assuer sich nicht Esther erbarmt hätte, wäre ihr ganzes Volk an einem Tag umgekommen. Wenn Josef nicht nach Ägypten hinabgestiegen wäre, wären seine Brüder an Hunger gestorben. Wenn der Herr nicht in den brennenden Dornbusch herabgestiegen wäre, wären die Israeliten unter dem Joch des Pharao geblieben. Das heißt, wenn Christus aus Liebe zu uns nicht herabgestiegen wäre, um unsere Schwachheiten auf sich zu nehmen, wären wir Gefangene geblieben. Aber da der Herr vom Berg gestiegen ist, wagen es die Lahmen, die Blinden und jeder Kranke, sich ihm zu nähern, und alle werden geheilt. Aber was wäre geschehen, wenn er nicht herabgestiegen wäre? Es wäre uns großer Schaden geschehen. Was sagen wir von jenen, die, obwohl er herabgestiegen ist, um dem Kranken Gesundheit, dem Blinden das Augenlicht und dem Lahmen Heilung sowie dem Toten das Leben zu geben, die trotzdem blind, lahm, krank und tot sind, die nicht geheilt werden, weil sie sich dem Herrn nicht nähern? Wie stufen wir diese Leute ein? Was sollen wir von jenen Kranken denken, die zwar sehen, dass Jesus so viele Gunsterweise und Heilungen schenkte, und obwohl sie krank sind, kein Verlangen haben, Christus berühren zu können und so geheilt zu werden?

 

Vater, wir würden sagen, die wollen nicht gesunden, da sie ihre eigene Schwachheit lieben.

 

Und was würden wir sagen von einem, der Gefangener in der Hand der Türken wäre, diese ihm aber den Loskauf anböten, er aber ihn nicht annehmen wollte?

 

Vater, er liebt die Gefangenschaft, die übergroße Liebe zu seinem Herrn hält ihn gefesselt.

 

Ja, das ist die Wahrheit, es gibt keine andere. Der Grund ist, du hast Christus, dein Heil, verraten, so kommt dir keine Hilfe zu, denn du liebst die Sklaverei, du liebst die Sünde. Um sie zu tilgen, kam Christus, stieg vom Berg seiner Majestät und bestieg den Kalvarienberg. Du liebst die Sünde mehr als Christus. Der Tempel der Götzenbilder, das sind die Sünden, und zu dessen Sturz trat Samson dem Tod entgegen, diesen Tempel, den du Samson vorziehst. Der Dämon, der dich gefangen hält, den liebst du mehr als den, der kam, um dich zu erlösen. Achte auf den großen Verrat, den du begehst. Was wird wegen dieses Verrats geschehen? Welchen Einfluss hat das auf das Kommen Christi?

 

Dass Er vom Berg gestiegen ist, bringt nicht nur nicht Heil, sondern im Gegenteil Verderben, ja noch mehr Verderben, als wenn er nicht gekommen wäre; wie die Inkarnation größeres Gewicht hat auf der Waage unseres Heils, so hat sie größeres Gewicht bei der Verdammung des Menschen, der die Inkarnation sich nicht zunutze gemacht hat. Gott befahl im Gesetz, dass im Jubeljahr die Sklaven in Freiheit gesetzt werden, wenn aber einer im Jubeljahr gesagt hätte: „Ich bin anhänglich an meinen Herrn, und ich will ihn nicht verlassen", befiehlt Gott, wenn er so handeln sollte, bliebe er Sklave für immer. Schau und wende an.

 

Ich versichere euch, dass diese Leute, von denen wir im heutigen Evangelium gelesen haben, die vom Herrn geheilt wurden, sich am Tag des Gerichts erheben werden, um uns zu verdammen - was auch die Bewohner von Ninive mit denen von Israel machen werden - denn sie folgten Christus, sie holten ihn ein und wurden geheilt, nachdem sie die körperliche Heilung erfahren hatten; während wir, die wir mehr Kenntnis als jenes rohe Volk haben, für die Er sein Blut vergossen hat, wir wollen uns Ihm nicht nähern, um von noch größeren Krankheiten geheilt zu werden. So sehr unterscheiden wir uns von jenen, wie die Seele größer ist als der Leib, ja noch mehr, wie sehr Gott das Geschöpf überragt. Die Schwäche des Leibes ist verschieden von der der Seele, nicht wegen der Sünde, sondern wegen der Unwissenheit, der Irrtümer usw., zwischen diesen beiden Krankheiten ist ein Unterschied wie zwischen Leib und Seele. Wie wir durch die Sünde Gott verlieren, so durch die Krankheit die Gesundheit des Leibes, und so groß ist der Unterschied, wie zwischen Gott und der leiblichen Gesundheit.

 

Was für eine jämmerliche Sache ist das. Der Herr gewährte uns die Gnade, unter denen zu sein, die Christus folgen, und wir hassen seine Lehre und seine Predigt - wir wurden jedoch zum Glauben an Ihn berufen und so Christen zu werden - und wir sind so erhöht worden, und doch bleiben wir schwach, da wir uns nicht Christus nahen. Es ist zum Weinen! Naht euch also dem Heil und achtet darauf, wie es zu tun ist. Es genügt kein Gedränge, es muß euch gelingen, ihn zu berühren. Und das ist das Übel: Wir nähern uns Christus, aber wir berühren ihn nicht; und ist ein Übel in jenen, denen es gelingt, ihn zu berühren und gesund zu werden durch die Berührung, aber sie geben ihm nicht genügend Raum, denn je mehr man erbittet, umso mehr bekommt man, so wie die Gefäße der Witwe: je größer das Gefäß war, umso mehr Öl erhielt sie.

 

Ich garantiere euch, wenn ihr wüsstet, was es bedeutet, zu Christus zu gehen, würdet ihr nicht fliehen und würdet mehr Sehnsucht empfinden, ihn zu erreichen, wenn auch der Weg dornig und voll morastiger Wiesen ist. Nehmt Anteil an dem, was Er heute im Evangelium seinen Jüngern sagt: Selig die Armen usf. Sucht zu erfahren, was es bedeutet, zu Christus zu gelangen und seine Jünger zu sein. Wisset, dass das, was in den Augen der Welt als mühselig, armselig und demütigend erscheint, gerade das ist, das größeren Wert hat, als das, was die Nicht-Jünger für wertvoll halten. Überzeugt euch davon. Was fliehen die Söhne der Welt? Die Demut, das Weinen, die Verfolgungen. Was suchen sie? Die Reichtümer, die Ehren, die Freuden. Nun, wenn es so ist, hören wir den Herrn, der uns sagt, welcher Unterschied besteht zwischen dem Weinen seiner Schüler, das von der Welt verachtet wird und den Freuden der Weltkinder, die sie höher achten als alles andere. Höre den Anspruch, höre auf die Verschiedenheit: Das Weinen des Jüngers Christi ist Seligkeit, und die Freude des Weltkindes ist Ächzen, Schmerz und Unglück! Es sind Worte dessen, der nicht lügen kann, dessen, der sich nicht täuschen kann und der uns nicht täuschen kann.

 

Und wisset den Grund, dem Weinen, der Armut und der Verfolgung, die die Seinen erleiden, fügt Gott eine so schmackhafte Würze hinzu, die sie besser macht als alle Freuden und Reichtümer der Weltkinder. Und das geschieht vor allem um zu verstehen, dass das der Weg ist, um zu Gott zu gelangen und sich für immer an ihm zu erfreuen, ohne jedes Leid, ja der Herr selbst wird uns so sehr belohnen, dass er mit seinen eigenen Händen uns die Tränen abwaschen wird. Dank dieser Überzeugung verachtete Mose den Palast des Pharao und als Sohn seiner Tochter geehrt zu werden, und er zog es vor, verfolgt und verjagt zu werden. Respiciebat enim etc. Vide et die. Aus derselben Überzeugung verhielten sich viele andere Heilige in gleicher Weise. Und aus derselben Überzeugung entschließen sich viele junge Mädchen zu verachten usf. Wenn ihr noch einen anderen Beweggrund kennenlernen wollt, der imstande ist, die Tränen in Freude zu verwandeln und die Unbequemlichkeiten schmackhaft zu machen, so überlegt, dass das der Weg unseres Anführers ist. Denkt an das Beispiel Christi, der usf. Dic et amplia.

 

Darüber hinaus ist der Herr noch nicht zufrieden, er mildert nicht nur die Mühen seiner Knechte, indem er sie schmackhafter macht als alles, was in der Welt süß ist, sondern er zieht sie aus der Schande und macht sie zu Geehrten, die in Verfolgung waren, triumphieren, aus der Armut kommen die Reichsten. Schaut auf Mose, der es vorzog, lieber mit Gott verachtet zu werden, als ohne Gott geachtet zu sein, so wurde er vom Herrn erhöht und zum Führer und Herrscher einer besseren Bevölkerung, als wenn er Herr und König von ganz Ägypten geworden wäre, eine Ehre, die er verachtete. Schaut auf Josef, er wurde als Sklave verkauft und von seinen Brüdern verfolgt, in den Kerker geworfen wie ein Übeltäter, wurde dann aber zum Herrscher über ganz Ägypten erhoben und erhielt die Huldigungen derer, die ihn verkauft und verfolgt hatten. Schaut auf Mardochäus usf.

 

Welcher Unterschied zu denen, die Gott nicht dienen! Ihr Lachen wird Weinen; ihre Reichtümer werden Armut; ihr Befehlen wird Sklavendasein. Und das alles, weil sie Freude, Reichtümer und Glück suchen in Dingen voll Gift, das schon ihr Herz befleckt hat und sie sterben lässt, ehe sie es zum Munde führen. Sie gründen ihren eigenen Reichtum auf die Beherrschung des anderen, ihre eigene Freude auf die Unterdrückung des Nächsten, ihr eigenes Vergnügen auf Ausschweifung. Diese Dinge voll Gift und Schuld, die dich schon töten und das Herz verdunkeln, ehe du sie tust, ja schon wenn du sie begehrst. Und der Tod durch Sünden ist die schwerste aller Todesarten.

 

O weltlicher Mensch, o Mensch, der du Gott nicht dienen willst, das ist der Grund, weshalb dein Wohlergehen ohne Vergleich bejammernswerter ist als jegliche Not. Du aber legst dein Glück in das Trinken der Milch, die Sisara trank, und sie scheint dir schmackhaft, aber diese scheinbare Auserlesenheit dient dazu, dich sterben zu lassen. Das Wertvollste, das du hast, ist wie das Anerbieten Dalilas, mit dem sie dich einschläfert, dir die Augen auskratzt, dir Hände und Füße mit Ketten bindet und dich in einen Spottvogel für die Philister verwandelt. Das, was du mit so großer Inbrunst und Qual suchst und ersehnst, ist wie das Linsengericht Esaus, der im Tausch, um das Verlangen grobe Sinnlichkeit zu befriedigen, auf das Erbe des Himmels verzichtete, und was das Schlimmste ist, kaum ist der Tausch abgeschlossen, gehst du lachend weg, als wenn du nichts verloren hättest.

 

Willst du noch wissen, warum das größte Wohlergehen der Bösen viel bejammernswerter ist als das Schlimmste, das die Jünger Christi erleiden? Überlege, dass letztere für die Herrlichkeit bestimmt sind, während deine Freude sich in Weinen wendet; die guten Reichtümer, die dir zufallen ohne Sünde, die Ehren, die dir zuteilwerden ohne Sünde, die Freude, die du erfährst ohne Sünde, das alles schickt dir Gott wie klares Wasser, damit es, wenn es in deine Seele fällt, diese lindere und anleite, dem zu danken, der diese Güter schickt, du bist so beschaffen, dass du in dieses klare Wasser deine Unbedenklichkeit und den schlechten Gebrauch der Gaben Gottes wirfst und es umwandelst in Schlamm, der dich blendet und besudelt.

 

Wenn Gott dir Ehren gewährt, um dich anzustacheln, den zu lieben und dem zu dienen, der sie dir schickt, dankst du ihm nicht nur nicht, sondern im Gegenteil, du bedienst dich ihrer als Waffe gegen Gott und gegen deine eigene Seele, denn du wirst stolz auf sie und begehst mit ihnen Gewalttaten.

 

Et sic de aliis. Pone exempla, et poteris de hoc adducere exempla Scripturae. Quaere et invenies et pones haec, et sic finies.

 

Download der Predigt

Österreichische Ordensprovinz des Hospitalordens des heiligen Johannes von Gott
Taborstraße 16
1020 Wien

ÖSTERREICHISCHE ORDENSPROVINZ

des Hospitalordens des
heiligen Johannes von Gott

"Barmherzige Brüder"

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