Dritter Brief des hl. Johannes von Gott

an die Herzogin von Sesa

EinleitungAls Johannes im Sterben liegt, schreibt er einen bewegenden Brief an die Herzogin von Sesa, den er nicht mehr vollenden kann. Dieses Dokument ist eine Art „geistliches Testament“ und zeugt von seinem Glauben wie auch von seiner Hellsichtigkeit für das Wesentliche im Leben.

 

Der Sterbende spricht in dem Brief von seinen „drei geistlichen Waffen“ und erläutert im Detail, was es heißt, zu glauben, zu hoffen und dem Nächsten zu dienen. Er schreibt, dass man Gott vor allem drei Dinge schulde, nämlich Liebe, Dienst und Ehrfurcht. In diesem Sinn lädt er dazu ein, drei Dinge zu tun: zu beten, zu arbeiten und auf die „Erhaltung des Körpers“ zu achten.

 

Wichtig sei es zudem, an drei Dinge zu denken: an die eigene Todesstunde, die Qualen der Hölle und die Seligpreisungen. Das „Testament“ des Johannes von Gott endet mit den Worten: „Vor allem ... habt immer die Liebe; sie ist die Mutter aller Tugenden.“

 

Brieftext1. Dieser Brief möge der demütigen und großherzigen Doña Maria de los Cobos y Mendoza, der Gemahlin des edlen und tugendreichen Don Gonzalo Fernández de Córdoba, Herzog von Sesa, übergeben werden, meinen Geschwistern in unserem Herrn Jesus Christus.

 

2. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus und unserer Herrin, der Unbefleckten Jungfrau Maria. Gott sei allen Dingen dieser Welt vorgezogen. Amen, Jesus.

 

Gott zum Gruß, meine Schwester in Jesus Christus, gute Herzogin von Sesa, und auch allen, die mit Euch sind und die Gott seines Grußes würdigt. Amen, Jesus.

 

3. Die große Liebe, die ich immer für Euch empfunden habe, sowohl für Euch als auch für Euren demütigen Gatten, den guten Herzog, verpflichtet mich, Euch nicht zu vergessen wegen des vielen, das ich Euch schulde und verpflichtet bin, da Ihr mir mit Eurem Almosen und Eurer Liebe immer beigestanden und mir geholfen habt, in meinen Sorgen und Nöten, um die Armen dieses hl. Hauses Gottes zu erhalten und zu kleiden und auch noch viele andere, die nicht in diesem Haus leben.

 

Ihr habt dies immer sehr gut getan als gute Edelleute und Streiter Jesu Christi.

 

Dies alles verpflichtet mich, Euch diesen Brief zu schreiben, gute Herzogin, denn ich weiß nicht, ob ich Euch noch öfter werde sehen oder sprechen können. An meiner Statt sei es Jesus Christus, der Euch ansieht und mit Euch spricht.

 

4. So groß ist der Schmerz, den mir meine Krankheit bereitet, dass ich kaum sprechen kann, und ich weiß nicht einmal, ob ich diese Zeilen zu Ende bringen werde.

 

Viel würde es mir bedeuten, Euch zu sehen. Deshalb bittet den Herrn, sofern es seinem Willen entspricht, mir wieder die Gesundheit zu schenken, von der er weiß, dass ich sie brauche, um mich zu retten, und um Buße für meine Sünden zu tun. Wenn es Ihm gefällt, mir die Gesundheit zurückzugeben, möchte ich Euch gerne besuchen und die Mädchen mitbringen, um die Ihr mich gebeten habt.

 

Meine Schwester in Jesus Christus, ich gedachte, Weihnachten bei Euch zu verbringen, aber Jesus Christus hat es besser gefügt, als ich es verdiene.

 

5. O gute Herzogin! Jesus Christus vergelte Euch im Himmel das Almosen und die große Liebe, die Ihr mir immer zuteilwerden ließet, und er bringe Euch den guten Herzog, Euren demütigen und großherzigen Gatten zurück und schenke Euch reichen Segen, wie ich es in Jesus Christus erhoffe. Und denkt immer daran, was ich Euch eines Tages in Cabra (Córdoba) sagte: „Setzt Euer ganzes Vertrauen allein auf Jesus Christus, von ihm werdet Ihr Trost empfangen, auch wenn Ihr jetzt in der Gegenwart Mühsal erleidet; denn schließlich werden all diese Mühsale nur zu einem größeren Trost und Heil Eurer Seele verhelfen, wenn Ihr sie um Jesu willen auf Euch nehmt.“

 

6. O guter Herzog, o gute Herzogin, seid gesegnet, Ihr und Eure Nachkommen. Da ich Euch nicht sehen kann, segne ich Euch von hier aus, obgleich ich ein unwürdiger Sünder bin.

 

Gott, der Euch erschuf und Euch am Leben erhält, schenke Euch auch die Gnade zu Eurer Rettung. Amen, Jesus.

 

Der Segen Gott des Vaters, die Liebe des Sohnes und die Gnade des Heiligen Geistes sei immer mit Euch, mit allen und auch mit mir. Amen, Jesus. Immer möget Ihr von Jesus Christus getröstet werden und seinen Schutz erfahren, denn um seinetwillen habt Ihr mir geholfen und mich aus der Not errettet, meine Schwester in Jesus Christus, gute und demütige Herzogin.

 

7. Wenn es Christus gefällt, mich aus diesem gegenwärtigen Leben hinwegzunehmen, hinterlasse ich und ordne an, dass, wenn mein Begleiter Angulo kommt, der bei Hof vorgesprochen hat, und den ich Euch anempfehle, denn er und seine Frau befinden sich in großer Armut, er Euch meine geistlichen Waffen überbringe. Es sind drei aus Goldfaden gefertigte Buchstaben, die am Rand bunt gefärbt sind. Ich habe sie bewahrt, seit ich mit der Welt in den Kampf getreten bin. Hebt sie gut auf mit diesem Kreuz, um sie dem guten Herzog zu überreichen, wenn Gott ihn mit Gaben heimkehren lässt.

 

8. Sie sind aus buntem Seidengewebe gefertigt, damit Ihr immer das kostbare Blut unseres Herrn Jesus Christus vor Augen habt, das er für das ganze Menschengeschlecht vergossen hat; und seine heiligste Passion. Es gibt keine höhere Art der Beschauung als jene in der Passion, und wer immer dieses hl. Leiden verehrt, wird mit Christi Hilfe nicht verloren gehen.

 

9. Drei sind die Buchstaben, denn drei sind auch die Tugenden, die uns zum Himmel führen: Die erste ist der Glaube, aus dem heraus wir all das glauben und für wahr halten, was die Mutter Kirche lehrt, indem wir ihre Gebote halten und sie ins Werk setzen. Der zweite Buchstabe bedeutet die Nächstenliebe. Zunächst erweisen wir unserer eigenen Seele Liebe, indem wir sie in der Beichte und Buße immer wieder reinigen. Schließlich die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern, indem wir für sie all das wünschen, was wir gerne für uns selbst in Anspruch nähmen. Der dritte Buchstabe ist die Hoffnung allein auf Jesus Christus. Denn um der Leiden und Mühsal willen, die wir um seinetwillen in diesem elenden Leben auf uns nehmen, wird er uns wegen seiner hl. Passion und seiner großen Barmherzigkeit die ewige Glorie schenken.

 

10. Diese Buchstaben sind aus Gold, denn so wie das Gold ein so kostbares Metall ist und, um wertvoll zu sein, Glanz und Farbe besitzen muss, was zunächst notwendig macht, von der Erde und dem Schmutz befreit und dann durch Feuer geläutert worden zu sein; so ist es auch mit der Seele, die ein so kostbares Gut ist. Sie muss von den Freuden und Lüsten dieser Welt abgesondert werden und bleibt auf diese Weise allein mit Jesus Christus verbunden, um dann im Feuer der Nächstenliebe geläutert zu werden durch Mühsale, Fasten und körperliche Bußwerke. So wird sie in Christi Augen wertvoll und erscheint vor dem göttlichen Gericht in überirdischem Glanz.

 

11. Das Tuch hat auch vier Ecken, die die vier Tugenden darstellen, welche die drei erstgenannten begleiten. Es sind dies: die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Mäßigung und die Stärke.

 

Die Klugheit lehrt uns, klug und weise zu handeln in allen Dingen, die wir tun oder denken, indem wir den Rat der Älteren, die mehr wissen als wir, annehmen.

 

Die Gerechtigkeit soll heißen, dass unser Wandel gerecht sei und jedem das zukommen lasse, was ihm entspricht, so dass wir Gott geben, was Gottes ist, und der Welt, was der Welt ist.

 

Die Mäßigung unterweise uns, Zucht und Ordnung zu halten im Essen und Trinken, in der Kleidung und in all den anderen Dingen, die der menschliche Körper nötig hat.

 

Die Stärke sagt uns, dass wir stark und ausdauernd sein sollen im Dienst Gottes und ein frohes Gesicht zeigen trotz der Mühen, Schwierigkeiten und Krankheiten, genau wie bei Wohlergehen und Trost, indem wir Jesus Christus für das eine und andere Dank erweisen.

 

12. Auf der Rückseite trägt das Tuch ein Kreuz nach Art eines Windmühlenflügels. Jeder, der gerettet werden möchte, muss es tragen gemäß Gottes Willen und mit der Gnade, die nur er verleiht. Schließlich verfolgen wir alle ein einziges Ziel, jeder geht den Weg, den Gott ihm vorgezeichnet hat, und so sind einige Ordensleute, andere Kleriker, andere Einsiedler und wieder andere verheiratet, denn in jedem Stand kann ein Mensch gerettet werden, wenn er es nur will.

 

Dies alles, gute Herzogin, wisst Ihr viel besser als ich, und daher ist es müßig, zu sprechen, da Ihr mich ohnehin versteht.

 

13. Drei Dinge schulden wir Gott: Liebe, Dienst und Ehrfurcht. Liebe: denn als göttlichen Vater müssen wir ihn über alle Dinge dieser Welt lieben; Dienst: weil wir ihm dienen müssen wie einem Herrn, und zwar nur aus Güte und nicht aus Berechnung der Gnade, die er denen schenkt, die ihm dienen;

 

Ehrfurcht: weil er Schöpfer ist, indem wir seinen heiligen Namen nur auf die Lippen nehmen, um ihm Dank zu sagen und seinen heiligen Namen zu preisen.

 

14. In diesen drei Dingen, gute Herzogin, müsst Ihr Eure Zeit alle Tage Eures Lebens zubringen: im Gebet, in Arbeit und in der Erhaltung des Körpers. Im Gebet: indem Ihr dem Herrn Jesus Christus Dank sagt, immer wenn Ihr Euch morgens erhebt, und zwar für die Gnaden und Güter, die er Euch ohne Unterlass schenkt; dafür, dass er Euch nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen und Euch die Gnade verliehen hat, Christen zu sein. Möchtet Ihr ihn immer um das Erbarmen bitten, Euch zu verzeihen und ihn schließlich für die ganze Welt bitten.

 

Bei der Arbeit: soweit sie körperlicher Natur ist, übt Euch in irgendeiner Tugendübung, damit wir unsere Speise verdienen, nach dem Beispiel Jesu Christi, der bis zu seinem Tod tätig war, und weil nichts so sehr zur Sünde verführt wie der Müßiggang. In der Erhaltung unseres Leibes: denn, so wie ein Wildhüter ein Tier pflegt und erhält, um sich dann seiner zu bedienen, so ist es schicklich, dass wir unserem Körper das zuteilwerden lassen, was zu seiner Kraft und zu Christi Dienst notwendig ist.

 

15. Meine viel und innig geliebte Schwester, um der Liebe Jesu Christi willen bitte ich Euch, die drei Dinge in Eurem Gedächtnis zu bewahren: die Todesstunde, der niemand entgehen kann, die Qualen der Hölle und die Seligpreisungen des Paradieses.

 

Was das erste betrifft, denkt immer daran, wie der Tod all das Elende dieser Welt zunichtemacht und wie uns zum Schluss nur ein Stück zerrissenes und schlecht geflicktes Tuch übrig bleibt.

 

Zum zweiten, denkt daran, wie wir wegen so geringer Freuden und bald vergänglichen Zeitvertreibs willen zur Rechenschaft gezogen werden und – falls wir in einer Todsünde sterben – ins höllische Feuer, das ewig währt, geworfen werden.

 

Und betrachtet drittens die Glorie und Seligpreisung, die Jesus Christus denen bereitet hat, die ihm dienen, die noch kein Auge geschaut und noch kein Ohr gehört hat und die noch in keines Menschen Herz gedrungen ist.

 

16. Meine Schwester in Jesus Christus, bemühen wir uns also um der Liebe Christi willen, und lassen wir uns nicht von diesen unseren Feinden: der Welt, dem Teufel und dem Fleisch, besiegen.

 

17. Vor allem, meine Schwester, habt immer die Liebe; sie ist die Mutter aller Tugenden.

 

Meine Schwester, der Schmerz quält mich sehr und lässt mich nicht weiterschreiben. Ich möchte ein wenig ausruhen, da ich Euch gern, lange und ausführlich schreiben möchte, weil ich nicht weiß, ob wir uns in diesem Leben jemals wiedersehen werden. Jesus Christus sei mit Euch und Eurem ganzen Haus etc. ...

 

 


Download der drei Briefe an die Herzogin von Sesa

 

Österreichische Ordensprovinz des Hospitalordens des heiligen Johannes von Gott
Taborstraße 16
1020 Wien

ÖSTERREICHISCHE ORDENSPROVINZ

des Hospitalordens des
heiligen Johannes von Gott

"Barmherzige Brüder"

Taborstraße 16

1020 Wien

 

Tel.: 0043 1 21121 1100

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