Entwicklung der Österreichischen Provinz

Die Geschichte des Ordens in Mitteleuropa hat ihre Wurzel auf der Tiberinsel in Rom. Dort führte der dynamische, eben erst vom Papst bestätigte Hospitalorden des Johannes von Gott seit 1584 ein Hospital. In diesem Hospital wurden 1604 einige an Malaria erkrankte Bedienstete des Fürsten Karl 1. von Liechtenstein, Gesandter Kaiser Rudolf II. in Rom, so hervorragend gepflegt, dass sich der Fürst vom Ordensgeneral Augustin Kyrieeleison einige Brüder für sein Herrschaftsgebiet in Niederösterreich und Sudmähren erbat. Diese Brüder unter der Führung des Ordenspriesters Johannes Cassinetti übernahmen 1605 das kleine Hospital zur heiligen Barbara in Feldsberg/Valtice, der Residenz des Fürsten.

 

Der zweite, weitaus bedeutungsvollere Schritt erfolgte mit der Entsendung von Frater Gabriel Ferrara, einem in Italien hoch angesehenen Chirurgen, nach Wien. Er richtete 1614 an der Straße „gegen Tabor“ ein kleines Hospital mit 20 Betten ein. Ferrara gründet im Lauf seines Lebens in Italien, Polen, den habsburgischen Ländern und Bayern insgesamt 22 Ordenseinrichtungen. Darüber hinaus ist er ein beliebter und gesuchter Arzt: 1615 heilt er unter anderem den Erzherzog Maximilian Ernst von Steiermark – dadurch kommt es zur Gründung des Krankenhauses Graz-Marschallgasse –, und 1624 wird er sogar nach Rom berufen, um Papst Urban VIII. zu behandeln.

 

Die erste Generation der Brüder bestand in erster Linie aus Italienern, die mit Kontaktschwierigkeiten zu kämpfen hatten Anfängliche Anfeindungen konnten die „wällschen Brüder“ bald überwinden, denn sie machten in der Pflege der Kranken keinen Unterschied in der Religion. Die neue Art ein Spital zu führen, erregte zuerst Misstrauen, dann Verwunderung, bald folgte uneingeschränkte Bewunderung. Die Brüder gewannen durch ihre vorbildliche Krankenpflege immer mehr Ansehen, Ihre Hospitäler unterschieden sich deutlich von den hier zu Lande bereits bestehenden Hospitaleinrichtungen, die in erster Linie – wie die Heiligengeistspitäler in Wien und Graz – Herbergen, Alten- und Siechenhäuser waren Die Niederlassungen der Hospitalbrüder waren ausschließlich Krankenanstalten („infirmaria“) und stellten somit, ungeachtet ihrer Größe von zuerst 12 bis 20 Betten, in den Ländern Mitteleuropas die ersten Krankenanstalten im heutigen Verständnis dar. Einer der größten Förderer war Kaiser Ferdinand II., der 1624 das Wiener Haus mit dem Privileg ausstattete, in allen habsburgischen Erblanden Almosen sammeln zu dürfen.

 

Bedingt durch den Dreißigjährigen Krieges (1618- 1648) gestaltete sich der Aufbau vorerst nur zäh. In dieser von Kriegen und Seuchen heimgesuchten Zeit waren die „Barmherzigen Brüder“ – als solche wurden die Hospitalbrüder des Johannes von Gott bald bezeichnet – immer dort zu finden, wo ihre Hilfe dringend gebraucht wurde., Als Sanitäter und Feldchirurgen nahmen sie an den Feldzügen des Dreißigjährigen Krieges und später auch der Türkenkriege teil. Bei den schweren Pest- und Typhusepidemien im 17. und 18. Jahrhundert waren die Ordensbrüder auch außerhalb ihrer Niederlassungen als mobile Pflegemannschaften tätig. Viele ließen dabei –wie 1679 bei der großen Pest in Wien – ihr Leben. Die Hochblüte des Ordens, wie sie in den romanischen Ländern bereits eingetreten war, ist nördlich der Alpen durch die verheerenden Folgen des Dreißigjährigen Krieges und die Bedrohung durch die Türkenkriege verzögert worden.

 

Die Österreichische Ordensprovinz, die dem heiligen Erzengel Michael geweiht ist, entsteht 1659 und umfasst zunächst die sechs Hospitäler Feldsberg, Wien, Prag, Graz, Neuburg an der Donau und Triest. Die Ordensbrüder arbeiten in diesen Einrichtungen als Krankenpfleger und Wundärzte. Für die Behandlung der inneren Erkrankungen wird ein promovierter weltlicher Mediziner angestellt, der den Titel „Spitalsphysikus“ führt. Prinzipiell werden die Kranken unentgeltlich gepflegt. Für den täglichen Unterhalt sorgen die Sammlungen. Trotz des Sammelprivilegs und anderer Privilegien ist der Orden für den Unterhalt der Patienten, für notwendige Anschaffungen und für bauliche Maßnahmen auf Zuwendungen der jeweiligen Landesherren und auf Schenkungen vermögender Adeliger sowie bürgerlicher Wohltäter angewiesen.

 

Im 18. Jahrhundert errichten die Brüder zuerst in Prag und später in Feldsberg eine Chirurgen- und Krankenpflegeschule. Neue Hospitäler entstehen unter anderem in Münster, Temesvar, Breslau, Erlau, Neustadt/Schlesien und Proßnitz, so dass die Provinz am Ende des 18. Jahrhunderts 31 Hospitäler zählt, in denen rund 500 Ordensbrüder wirken. Die Aufklärung, der Josephinismus, die Nachwehen der Französischen Revolution und die Veränderungen der napoleonischen Zeit setzen aber auch dem Orden der Barmherzigen Brüdern zu.

 

Zu den Persönlichkeiten, welche die Geschichte der Wiener Provinz mitgestalten, gehören Coelestin Opitz (1810–1866), der ein Pionier der Narkose ist, und sein Schüler Johannes de Deo Sobel (1839–1903), der die Chirurgie in Prag auf den modernsten Stand bringt. Diese Ordensmänner verstehen es, die Anforderungen des Fortschritts in der Medizin mit der Pflege der Kranken im Sinn des Ordensgründers zu verbinden.

 

Im Jahr 1914 besteht die genau 300 Jahre alte Wiener Ordensprovinz aus 15 Krankenhäusern mit insgesamt 1.550 Betten:

  • Feldsberg, Niederösterreich, gegründet 1605, 74 Betten;
  • Krakau, Galizien (Polen) – gegründet 1609, seit 1865 in der Österreichisch-Böhmischen Provinz, 117 Betten;
  • Zebrzydowic, Galizien (Polen), gegründet 1611, seit 1797 in der österreichisch-böhmischen Provinz, 26 Betten;
  • Wien-Leopoldstadt, gegründet 1614 mit 20 Krankenbetten, 1914: 350 Betten;
  • Prag, Böhmen, gegründet 1620, 200 Betten;
  • Görz, italienisch-slowenisches Küstenland, gegründet 1656, 120 Betten;
  • Neustadt an der Mettau, Böhmen, gegründet 1692, 28 Betten;
  • Teschen, Schlesien, gegründet 1700, 90 Betten;
  • Prossnitz, Mähren, 1733, 60 Betten;
  • Kukus, Böhmen, gegründet 1743, 22 Betten;
  • Brünn, Mähren, Krankenhaus, gegründet 1749, 67 Betten;
  • Lettowitz, Mähren, gegründet 1750, 24 Betten;
  • Wien-Hütteldorf (vorher Landstraße), Rekonvaleszentenhaus, gegründet 1753, 50 Betten;
  • Linz, Oberösterreich, gegründet 1757, 120 Betten;
  • Wisowitz, Mähren, Krankenhaus, gegründet 1781, 20 Betten;
  • Brünn, Mähren, Pflegeanstalt, gegründet 1898, 155 Betten;
  • Wisowitz, Mähren, Pflegeanstalt, gegründet 1912, 25 Betten.

 

Neben dieser Österreichisch-Böhmischen Ordensprovinz, in der im Jahr 1913 insgesamt 23.565 Kranke aufgenommen werden, gibt es auch die steirische Reformprovinz, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom Krankenhaus in der Grazer Annenstraße (heute Graz-Marschallgasse) aus errichtet worden ist. Vor dem ersten Weltkrieg gehören ihr neben dem Krankenhaus in Graz mit rund 240 Betten auch ein Erholungsheim in Algersdorf-Eggenberg (1863), das Pflegezentrum in Kainbach (1875), das Krankenhaus in St. Veit an der Glan (1876) und ein Krankenhaus in Kandia, Krain (1893) an. Der Leitung dieser Provinz wird 1905 zudem ein Hospital in Nazareth anvertraut, ebenso wie eine vom souveränen Malteserritterorden gegründete weitere Krankenanstalt in Tantur im damaligen Palästina.

 

Im ersten Weltkrieg verlieren die Brüder die Verfügungsgewalt über die meisten ihrer Krankenhäuser, die weitgehend zu Lazaretten umfunktioniert werden, und mit dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie reißt auch die Verbindung zwischen Österreich und Böhmen ab. Die Wiener Provinz besteht schließlich nur mehr aus dem Krankenhaus in Wien-Leopoldstadt, dem Krankenhaus in Linz und dem Rekonvaleszentenheim in Wien-Hütteldorf. Um Provinz bleiben zu können, wird 1919 in Kritzendorf ein vierter Konvent errichtet. Eine Schließung des Wiener Hauses kann nur durch Unterstützung ausländischer Hilfsorganisationen vermieden werden. Glücklicherweise gestattet die Wiener Stadtverwaltung eine jährliche öffentliche Sammlung.1922 wird aufgrund der Grenzziehungen, der Eingliederung der deutschsprachigen Gebiete Westungarns (Burgenland), das Krankenhaus in Eisenstadt Teil der Wiener Provinz.

 

In der schwierigen Zwischenkriegszeit, die von großer Not und Armut gekennzeichnet ist, übernehmen die Brüder das Salzburger Truppenspital (1923), und 1931 eröffnen sie das Kneipp-Kurhaus in Schärding. Außerdem entsteht ein Konvent in Walding bei Linz, wo ein Brüdererholungshaus eingerichtet wird. Als vierte Neugründung kommt Wien-Gersthof hinzu, wo eine Entbindungsstation übernommen und ab 1936 ein allgemeines Krankenhaus geführt wird. In all diesen Jahren gibt es auch in der Grazer Provinz trotz angespannter finanzieller Verhältnisse eine gute Entwicklung. Die Ambulanzen, in denen unentgeltlich medizinische Hilfe geboten wird, sind in diesen Jahren ständig überlaufen, und auch unter den stationären Patienten gibt es viele, die völlig mittellos sind und absolut nichts bezahlen können, aber trotzdem nach bestem Wissen und Gewissen kostenlos versorgt werden. Besonders in Wien und Graz werden – trotz aller eigenen finanziellen Sorgen – auch hunderte hungernde Menschen täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgt.

 

Die Zeit nach den bitteren Jahren des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, in der alle Niederlassungen der Barmherzigen Brüder mit Ausnahme des Krankenhauses in Wien enteignet worden sind, steht ganz im Zeichen des Wiederaufbaus. Ein wichtiger Schritt dazu ist 1951 die Zusammenführung der Wiener und der Grazer Provinz zur Österreichischen Provinz. In den 60er-Jahren besteht sie aus sieben Krankenhäusern (Wien, Graz, Linz, Eisenstadt, Graz-Eggenberg, St. Veit, Salzburg), zwei Pflegezentren (Johannes von Gott-Pflegezentrum in Kainbach, Alten- und Pflegeheim in Kritzendorf) und einem Kurhaus (Kneipp- und Gesundheitszentrum in Schärding). Die Wiener „Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege“ wird 1978 eröffnet.

 

Neben der Krankenbetreuung und dem Einsatz für Menschen mit Behinderungen entstehen in den Folgejahren vielfältige Initiativen zur Linderung neuer Formen von Not und Armut: Gesellschaftliche Randgruppen und Selbsthilfegruppen finden in den Häusern des Ordens Aufnahme. Neben den traditionellen Ambulanzen für Mittellose (Zahnambulanz und Allgemeine Ambulanz in Wien) werden in Linz (1993), Wien (1999) und Graz-Marschallgasse (2008) Ambulanzen für Gehörlose sowie in Wien eine Sonderstation für akutkranke Justizhäftlinge geschaffen. Letztere finden hier, da sie wegen Berührungsängsten und Reputationsverlust von den meisten Wiener Spitälern nicht stationär aufgenommen werden, die notwendige pflegerische und medizinische Betreuung.

 

Im Juli 1999 kann die Lebenswelt Schenkenfelden (OÖ/Mühlviertel), eine Einrichtung für Gehörlose und Taubblinde mit besonderen Bedürfnissen, ihre Arbeit aufnehmen, und 2004 wird in Kainbach – erstmals in einem mitteleuropäischen Ordenswerk – eine Drogentherapiestation eröffnet.

 

Die letzten Jahre sind vor allem durch verstärkte Kooperationen im Gesundheits- und Sozialbereich gekennzeichnet. Die wichtigsten sind:

 

In Österreich unterhalten die Barmherzigen Brüder folgende Einrichtungen:

 

In diesen Einrichtungen sind rund 5.500 MitarbeiterInnen beschäftigt (dies entspricht vollzeitäquivalent etwa 4.850 Dienstposten). Jährlich werden mit modernster Spitzenmedizin und Pflege annähernd 132.000 PatientInnen stationär betreut und über 586.000 ambulante Behandlungen durchgeführt.

 

Dabei werden u. a. Leistungen im Ausmaß von annähernd 740.000 Pflegetagen in den Akut-Krankenhäusern und rund 395.000 Pflegetagen in den Pflegeeinrichtungen erbracht. Die Behandlung erfolgt dabei unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Herkunft, Kultur oder sozialem Stand. Hilfe bekommt, wer sie braucht – auch wenn er weder versichert ist, noch sich Hilfe leisten kann.

 

Die Familie des heiligen Johannes von Gott bilden die Brüder, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, Wohltäter, Freunde und Betreute.

 

Unsere Dienstgemeinschaft, wie es sie bereits ähnlich zur Zeit des hl. Johannes von Gott gegeben hat, basiert auf Beziehungen, die auf gegenseitigem Respekt, Verständnis, Vertrauen, Freundschaft und einer gemeinsamen Vision aufbauen. Aus dem Selbstverständnis dieser gemeinsamen Dienstgemeinschaft ergibt sich, dass Mitarbeiter verantwortungsvolle Aufgaben wahrnehmen, die in der Vergangenheit den Brüdern vorbehalten waren.

 

Aus diesem Grund werden den Mitarbeitern Ausbildungen ermöglicht, damit sie ihre Arbeit im Geist und im Stil des hl. Johannes von Gott sowie in Einklang mit den Ordensgrundsätzen, seinem Auftrag und seiner Identität als Teil der katholischen Kirche leisten können.

 

Durch Bildungsmaßnahmen erfahren die Mitarbeiter die Herzensbildung und Grundsätze des Ordens sowie der katholischen Kirche kennen und können dadurch deren Haltungen besser verstehen und mittragen. Diese Ausbildung erfolgt im Rahmen der „Schule der Hospitalität“, die jeder leitende Mitarbeiter besuchen muss.

 

„Was nun den Dienst der Menschen an den Leidenden betrifft, so ist zunächst berufliche Kompetenz nötig: Die Helfer müssen so ausgebildet sein, dass sie das Rechte auf rechte Weise tun und dann für die weitere Betreuung Sorge tragen können. Berufliche Kompetenz ist eine erste, grundlegende Notwendigkeit, aber sie allein genügt nicht. Es geht ja um Menschen, und Menschen brauchen immer mehr als eine bloß technisch richtige Behandlung. Sie brauchen Menschlichkeit. Sie brauchen die Zuwendung des Herzens. Für alle, die in den karitativen Organisationen der Kirche tätig sind, muss es kennzeichnend sein, dass sie nicht bloß auf gekonnte Weise das jetzt Anstehende tun, sondern sich dem andern mit dem Herzen zuwenden, so dass dieser ihre menschliche Güte zu spüren bekommt. Deswegen brauchen diese Helfer neben und mit der beruflichen Bildung vor allem Herzensbildung: Sie müssen zu jener Begegnung mit Gott in Christus geführt werden, die in ihnen die Liebe weckt und ihnen das Herz für den Nächsten öffnet, so dass Nächstenliebe für sie nicht mehr ein sozusagen von außen auferlegtes Gebot ist, sondern Folge ihres Glaubens, der in der Liebe wirksam wird (vgl. Gal 5, 6).“

 

Österreichische Ordensprovinz des Hospitalordens des heiligen Johannes von Gott
Taborstraße 16
1020 Wien

   Gutes tun und es gut tun!

    Motto des hl. Johannes von Gott
    (1495-1550)

 

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des Hospitalordens des
heiligen Johannes von Gott

"Barmherzige Brüder"

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