Frater Imre Kozma OH verstorben
Pater Imre Kozma hat nicht nur wesentlich zum Wiederaufbau der Barmherzigen Brüder in Ungarn nach der Wende beigetragen, sondern den Orden hier auch zwei Jahrzehnte lang geprägt. Seinem Organisationstalent und seinen Beziehungen ist es zu verdanken, dass die Barmherzigen Brüder in Ungarn heute wieder fünf Einrichtungen führen.
Bevor Imre Kozma im Alter von 57 Jahren bei den Barmherzigen Brüder eingetreten war, hatte er als Seelsorger in mehreren Pfarren gewirkt und den Malteser Hilfsdienst in Ungarn mitaufgebaut.
SEELSORGER
Geboren wurde er am 4. Juni 1940 in Györzámoly, einem kleinen Dorf bei Györ. Den Vater verlor er früh durch einen tragischen Unfall, so wurde er von Mutter und Großmutter aufgezogen. Nach der Matura studierte er Theologie und wurde am 16. Juni 1963 zum Priester geweiht. Ein anschließendes Studium in Rom erlaubten ihm die kommunistischen Behörden nicht, ein weiterführendes Studium in Budapest wurde ihm von der Amtskirche verboten.
So war Imre Kozma rund 35 Jahre in verschiedenen Pfarren in Ungarn tätig. „Gleich in meiner ersten Pfarre habe ich die Armut der Menschen kennengelernt, die Armut von Leib und Seele. Das war ein Schlüsselerlebnis für mich und ich habe Gott versprochen, mein Leben in den Dienst der Armen und Notleidenden zu stellen“, blickte er später zurück. So war er in den Pfarren nicht nur als Seelsorger tätig, sondern engagierte sich dort auch sozial.
Von 1968 bis 1977 wirkte er in der Kirche der Franziskaner in Budapest. Dort waren es besonders Student*innen, die in Scharen zu ihm strömten. Das missfiel den kommunistischen Machthabern und so wurde er nach Zugliget, ein Nobelviertel von Budapest, versetzt, wo kaum jemand in die Kirche ging. Aber die Student*innen folgten ihm dorthin, auch immer mehr Bewohner*innen des Viertels kamen und bald war die Kirche bei den Gottesdiensten voll. Auch hier baute er ein Netzwerk zur Hilfe für arme Menschen auf. Daraus entwickelte sich der Malteser Hilfsdienst in Ungarn, der offiziell im Februar 1989 gegründet wurde. Imre Kozma wurde dessen Präsident.
MALTESER HILFSDIENST
Als im Sommer 1989 tausende DDR-Bürger*innen nach Ungarn kamen, um von hier in den Westen zu flüchten, organisierten Imre Kozma und der Malteser Hilfsdienst für insgesamt 48.000 Menschen die Versorgung. Auch hier bewährte sich sein Organisationstalent, wie er einmal erzählte: „Ich habe Dutzende Hotels, Restaurants und Küchen von Arbeiterheimen angerufen und um Hilfe gebeten. Ab dem zweiten Tag konnte ich das Essen schon bestellen! Und niemand hat gefragt, wer das bezahlen wird.“ Er hatte auch eine Lösung, als ihm wenig später der westdeutsche Konsul um Hilfe bat, da im Konsulat und in der Botschaft so viele DDR-Flüchtlinge waren, sodass dort keine Arbeit mehr möglich war: Schon am nächsten Abend hatte er die Errichtung eines ersten Lagers organisiert, in dem 920 Menschen einquartiert wurden. Insgesamt wurden vier Lager errichtet, in denen bis zu 7.000 Menschen untergebracht werden konnten.
Wenige Monate später, nach dem Zusammenbruch des Regimes in Rumänien, organisierten Imre Kozma und die Malteser Hilfslieferungen für die dortige Kirche und im Kroatienkrieg Anfang der 1990er-Jahre holte man verletzte Menschen nach Ungarn. Seither hat das Malteser Hilfsdienst, dessen Präsident Imre Kozma bis 1997 war, in Ungarn ein landesweites Netzwerk aufgebaut und ist die größte Hilfsorganisation des Landes.
BARMHERZIGER BRUDER
Doch während Imre Kozma in der Pfarre und für den Malteser Hilfsdienst tätig war, reifte in ihm eine wichtige Entscheidung: „In meiner Arbeit hatte ich erfahren, dass Leute die arm sind, auch kränker sind. So wollte ich mein weiteres Leben in den Dienst der Kranken stellen.“ 1997 bat er um Aufnahme in den Orden der Barmherzigen Brüder, am 26. Dezember 2003 legte er seine Feierliche Profess ab. Er wurde 2004 Prior des Konvents in Budapest und von 2010 bis 2022 Delegat der der Österreichischen Ordensprovinz angegliederten ungarischen Provinzdelegatur.
Bei den Barmherzigen Brüdern stand Pater Imre vor seiner nächsten großen Aufgabe: Unter den Kommunisten war der Orden enteignet worden, nach der Wende hatte er nach und nach Teile seiner Besitzungen zurückerhalten. „Im Budapester Krankenhaus bekamen wir zuerst nur drei kleine Zimmer: In einem wohnte ich, im andern ein alter Bruder, das dritte war unsere Kapelle“, erinnerte sich Pater Imre. Dank seines Organisationstalents und seiner Beziehungen konnte er wesentlich zum Wiederaufbau der Barmherzigen Brüder in Ungarn beitragen. Ohne seine Beziehungen wären die Rückgabe des großen Krankenhauses des Ordens in Budapest und die großzügige staatliche Unterstützung bei dessen Sanierung und Ausbau in den vergangenen Jahren wohl nicht möglich gewesen.
ZAHLREICHE EHRUNGEN
Für sein Engagement wurde Pater Imre vielfach geehrt. Er erhielt unter anderem den Széchenyi-Preis, eine hohe staatliche Auszeichnung in Ungarn, das große Verdienstkreuz des Malteserordens, den Verdienstorden der Republik Ungarn, die Mindszenty-Medaille und den Europäischen Bürgerpreis des Europäischen Parlaments. Im Jahr 2004 bedankte sich der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder während seines Besuchs in Ungarn persönlich bei ihm für „das Mitgefühl und die Tatkraft“, mit denen er 1989 den Menschen aus der DDR geholfen hatte.
Bilder aus dem Leben von Frater Imre