Heiliger Johannes von Gott – “Großzügig in der Nächstenliebe”
Unser Gründer hat uns ein kostbares und zugleich anspruchsvolles Erbe hinterlassen, das nach so vielen Jahren immer noch lebendig ist und weiterwirkt, dank der vielen Brüder und Mitarbeiter, die sich mit Leidenschaft und Begeisterung die spirituelle Erfahrung des heiligen Johannes von Gott zu eigen gemacht haben. Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, gibt es nicht viele Institutionen, die so lange überdauert haben. Viele haben ihre Zeit bereits hinter sich und sind verschwunden, obwohl sie noch in guter Erinnerung sind. Andere sind bereits völlig vergessen, obwohl sie einen bedeutenden Beitrag für die Menschheit geleistet haben. Andere versuchen noch immer zu überleben, aber nur um des Überlebens willen. Schauen wir hingegen auf unseren großartigen und jahrhundertealten Orden, stellen wir fest, dass er trotz seines Alters nichts von seiner Aktualität verloren hat, sondern sich im Gegenteil in der Art der "Stammzellen" ständig regeneriert, weil das Charisma, das die Familie des heiligen Johannes von Gott erfüllt, wenn es gelebt, geteilt und konkret umgesetzt wird, aus sich selbst eine stets neubelebende charismatische Kraft entwickelt, die sich in immer neuen Formen und Wegen der Hilfe und Fürsorge im Dienst am kranken, armen und hilfsbedürftigen Menschen zeigt.
Das große Vermächtnis des heiligen Johannes von Gott ist genau dies: "Jesus selbst in den Armen und Kranken zu lieben, besonders in den Schwächsten und Verletzlichsten“. An den gesellschaftlichen Rändern zu arbeiten, gehört seit jeher zum Wesensmerkmal unseres Ordens, doch wir bleiben unserer tieferen Identität nur treu, wenn wir niemals das Zentrum unseres Tuns und Handelns aus den Augen verlieren: Christus, den Herrn, der für Johannes von Gott das Herzstück seiner Sendung war. Das Gebot Jesu, einander mit Nächstenliebe zu lieben, hat unseren Blick im Laufe der Jahrhunderte dafür geschärft, geschichtliche Entwicklungen vorwegzunehmen und neue Horizonte der Nächstenliebe im Geist der Hospitalität zu erschließen, eine Fähigkeit, die wir mit dem Begriff „neubelebende Nächstenliebe“ übersetzen könnten, denn Gott offenbart sich immer und überall in erster Linie in der Nächstenliebe. Das Fest des heiligen Johannes von Gott sollte uns in diesem Sinne ermuntern, uns des großen geistlichen und menschlichen Geschenks bewusst zu werden, das der Herr der Kirche mit Person und Werk des Heiligen von Granada gemacht hat. Heute sind wir alle, sowohl persönlich als auch gemeinschaftlich, und auch als weltweite Familie, für die Bewahrung und Pflege des Charismas der Hospitalität mitverantwortlich, und das nicht nur durch Studium, Forschung und alle Mittel, die uns die Wissenschaft zur Verfügung stellt, sondern auch und vor allem durch die gelebte Kraft der Nächstenliebe, die unser Charisma erst mit Leben und Sinn erfüllt.
Vor wenigen Monaten ist das 70. Generalkapitel des Ordens zu Ende gegangen, an dem eine bedeutende Anzahl von Mitarbeitenden teilgenommen hat. Bei dieser wichtigen Gelegenheit arbeiteten wir Seite an Seite in einem persönlichen und gemeinschaftlichen Findungsprozess und ließen dem Heiligen Geist viel Raum, um von ihm unsere Entscheidungen erhellen und unsere Gedanken und Überlegungen inspirieren zu lassen. Die Erfahrung, an der, wie gesagt, Brüder und Mitarbeitende gleicherweise beteiligt waren, war von großer Bedeutung für die Erarbeitung von Leitlinien, die die Zukunft der Hospitalität erhellen werden. Der Reichtum des persönlichen Charismas eines jeden Bruders und Mitarbeiters hat dem Charisma der Hospitalfamilie neuen Schwung gegeben und die Teilnehmer des Kapitels dazu befähigt, mehr zu wagen als das, was bereits gesagt, getan oder gedacht wurde, in dem Bemühen, neue, vom Heiligen Geist inspirierte Ideen zu entwickeln und zu konkretisieren, damit sich in jeder neuen Entscheidung unser Ideal der Nächstenliebe zeigt. Ich glaube, dass es jetzt wichtig ist, der Arbeit des Generalkapitels auf Provinzebene Kontinuität zu verleihen, um das, was wir beschlossen haben, konsequent weiterzuführen. Ich hoffe, dass dieser Weg der tätigen Suche auf allen Ebenen - persönlich, gemeinschaftlich, als weltweite Familie - weitergeht und uns mutiger macht angesichts der Entscheidungen, die wir treffen müssen, und der Herausforderungen, die auf uns warten.
Liebe Brüder und Mitarbeitende, wir dürfen keine Angst haben, neue Wege zu beschreiten, neue Projekte zu verwirklichen, um der Hospitalität in unserer Zeit ein konkretes Gesicht zu geben. Die Vitalität des Charismas des heiligen Johannes von Gott schöpft ihre Kraft aus der Treue zu Gott und zur Berufung, mit der er uns beschenkt hat. Je mehr eine Gabe geteilt wird, desto mehr breitet sie sich aus und kann so auch die gesellschaftlichen Ränder erreichen, wo menschliches Leid besonders stark ist und wir die Zärtlichkeit und Liebe Gottes bringen sollen.
Wir sind stolz auf den Weg, den unser Orden in diesen 475 Jahren zurückgelegt hat, mit all seinen Licht- und Schattenseiten, seinen Erfolgen und Misserfolgen. Die Hospitalität hat in diesen Jahrhunderten das Leben vieler Menschen geprägt, allen voran der Brüder und ihrer Mitarbeitenden, die das Charisma der Hospitalität beispielhaft gelebt haben und in der Nächstenliebe so großzügig waren, dass ihr Duft sich bis heute bewahrt hat. Dieses Erbe wirkt bis heute nach und schenkt weiterhin vielen kranken, armen und bedürftigen Menschen Trost und Hoffnung.
Liebe Familie des heiligen Johannes von Gott, heute sind wir an der Reihe, dieses "geistliche Erbe" lebendig zu erhalten, wir, die wir in verschiedenen Formen und Ausprägungen am Charisma des heiligen Johannes von Gott teilhaben: dies ist unser Augenblick! Seien wir bereit, uns in Frage zu stellen, sehen wir Herausforderungen als etwas Positives, haben wir keine Angst, Hand anzulegen, denn die Entscheidungen, die wir in den kommenden Jahren treffen müssen, werden grundlegend und entscheidend für die Zukunft der Hospitalität sein. Nur wahre Liebe weckt die Fantasie der Nächstenliebe. Wahre Liebe ist ein großzügiges Hinausgehen aus sich selbst, ein Impuls, der uns anspornt, das Wohl des anderen zu suchen. Andernfalls riskieren wir, dass alles reine Emotion bleibt, ohne in die Tiefe unseres Lebens einzutauchen und unserem Nächsten wirklich die Hand zu reichen. Machen wir uns gemeinsam auf und unterstützen wir uns gegenseitig, großzügig in der Nächstenliebe.
Die Schönheit des Charismas von Johannes von Gott lädt uns ein, offen zu bleiben für neue Formen und Möglichkeiten der Gastfreundschaft, die es gibt. Ich bin sicher, dass wir in der Lage sind, neue Erfahrungen der Nächstenliebe zu entfalten und zu gestalten und uns darüber auszutauschen. Ich kann jedoch meine Besorgnis über einige Situationen nicht verbergen, in denen die Tendenz besteht, einfach nur zu überleben und die Zeit entscheiden zu lassen, die Dinge aufzuschieben oder einfach laufen zu lassen oder, schlimmer noch, die Entwicklung von Projekten zu behindern, die unserem Charisma neuen Schwung verleihen könnten. Manchmal führt fehlende Hoffnung bei einigen zu einem statischen Leben, ohne Visionen und Projekte, das weit entfernt von den Realitäten ist, in denen wir zu leben berufen sind.
Das Geschenk des Jubiläumsjahres, das uns zu Pilgern der Hoffnung macht, die Frische, die das 70. Generalkapitel gebracht hat, der Todestag unseres Gründers - ich hoffe, dies sind genügend Gründe, um unseren Weg mit Begeisterung fortzusetzen und eine Hospitalität zu fördern, die den Erwartungen der Menschen von heute entspricht. Unserem Charisma treu bleiben bedeutet Gott treu bleiben, Gott treu bleiben bedeutet großzügig in der Nächstenliebe sein.
In der Verkündigungsbulle des Jubiläumsjahres 2025 schreibt Papst Franziskus (Nr. 11): “Zeichen der Hoffnung müssen den Kranken gegeben werden, die sich zu Hause oder im Krankenhaus befinden. Mögen ihre Leiden durch die Nähe von Menschen, die sie besuchen, und durch die Zuwendung, die sie erhalten, gelindert werden. Die Werke der Barmherzigkeit sind auch Werke der Hoffnung, die in den Herzen Dankbarkeit wachrufen. Und die Dankbarkeit soll alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens erreichen, die unter oftmals schwierigen Bedingungen ihren Dienst mit liebevoller Fürsorge für die Kranken und Schwächsten ausüben. Es darf nicht an inklusiver Aufmerksamkeit für diejenigen fehlen, die unter besonders schwierigen Lebensbedingungen die eigene Schwäche erfahren, insbesondere, wenn sie an Krankheiten oder Behinderungen leiden, die ihre persönliche Autonomie stark einschränken. Für sie zu sorgen ist wie ein Lobgesang auf die Menschenwürde, ein Lied der Hoffnung, das das Zusammenspiel der gesamten Gesellschaft erfordert.”
Machen wir uns die Aufforderung des Heiligen Vaters zu eigen und wenden wir unseren Blick voll Liebe und Leidenschaft all denen zu, die dem Herrn besonders am Herzen liegen und die er in seiner Barmherzigkeit unserer Hospitalfamilie anvertraut hat, damit sie durch unsere Fürsorge und Liebe seine Zuneigung und Zärtlichkeit spüren.
Wie gewohnt, möchte ich zum Fest des heiligen Johannes von Gott den gesamten Orden über das Ergebnis des Spendenaufrufs informieren, den wir 2024 für den "Bau und die Inbetriebnahme eines Zentrums für psychische Grundversorgung in Kolda im Senegal" durchgeführt haben. Haben Sie tausend Dank, denn die Großzügigkeit und Solidarität des gesamten Ordens haben es uns ermöglicht, 328.228,17 € für dieses Projekt zu sammeln.
Gleichzeitig möchte ich Sie darüber informieren, dass der Spendenaufruf für das Jahr 2025 unserem Werk in Drohobyč in der Ukraine gewidmet sein wird. Der Spendenaufruf hat die "Häusliche Pflege und Unterstützung für Kriegsflüchtlinge" zum Ziel. Ich habe unser Werk in der Ukraine im vergangenen Monat besucht und es gibt keine Worte, um die verheerenden Auswirkungen des Krieges dort zu beschreiben. Ein herzliches Dankeschön an unsere Brüder, Mitarbeitenden und Freiwilligen, die unermüdlich dafür arbeiten, den betroffenen Menschen Gesundheit und Hoffnung zurückzugeben. Ich danke Ihnen im Voraus und bitte Sie um die großzügige Unterstützung für dieses Projekt.
Ich wünsche uns allen, dass dieses Jahr die Morgenröte des Friedens bringt. Die ganze Menschheit braucht das dringend. Bitten wir gemeinsam auf die Fürsprache der Jungfrau Maria und des heiligen Johannes von Gott, dass unsere Hospitalfamilie immer hellhörig für die Nöte der Menschen bleibt und mit Professionalität und Liebe handelt, damit sich niemand von der liebenden Umarmung Gottes und der Zärtlichkeit des heiligen Johannes von Gott ausgeschlossen fühlt. Ich grüße und danke einem jeden und einer jeden von Ihnen für den unschätzbaren Dienst, den Sie zur Erfüllung des Auftrags, den der Herr uns anvertraut hat, leisten.
Frater Pascal Ahodegnon, O.H.
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