
Unbedeutende Brücke und Weg in die Freiheit
„Dort vorne, der Wald, das wird schon Ungarn sein“, sagt der Begleiter, als wir kräftig in die Pedale treten. Die Brücke von Andau ist das Ziel, der Rückenwind (noch) unser Antrieb. Schnurgerade führt der Radweg vonAndau in Richtung Südosten. Rechts und links von riesigen Gemüsefeldern gesäumt: Zwiebeln, Karotten, Kartoffeln. Schließlich werden diese von weiten Wiesen abgelöst. Zu schauen gibt es immer etwas, denn der Weg zur Grenze ist zugleich eine Galerie. „Fluchtweg“ heißt er, nach den Ereignissen 1956, als rund 200.000 Ungarn ihre Heimat verließen.
„Skulpturenboulevard“ nennt man ihn seit den 1990er-Jahren auch, als der aus Andau stammende Hrdlicka-Schüler Franz Gyolcs hier ein Künstlersymposium veranstaltete. KünstlerInnen aus Ungarn, Österreich und der Slowakei hatten daran teilgenommen, ihre Werke aus Holz und Stein stehen an dem rund neun Kilometer langen Weg bis zur Grenze: schmerzverzerrte Gesichter, zusammengekauerte Körper, aber auch aufrechte Figuren – Bilder, die angesichts des Kriegs in der Ukraine in Europa wieder an Aktualität gewonnen haben.
Revolutionsjahr 1956
Die Skulpturen halten die Erinnerung an die Ereignisse im Herbst 1956 wach, als der kleine Ort Andau inmitten der „burgenländischen Puszta“ plötzlich in den Fokus der Weltaufmerksamkeit rückte. Diesem Interesse waren dramatische politische Ereignisse vorangegangen: Am 23. Oktober 1956 hatten sich StudentInnen in Budapest zu einer friedlichen Demonstration mit der Forderung nach demokratischen Veränderungen formiert. Als die Regierung einschritt, brachen Kämpfe aus. Rufe nach dem Verlassen der seit 1945 in Ungarn stationierten Sowjetarmee wurden laut – diese reagierte mit einer Aufstockung der Truppen und militärischem Einschreiten. Den Auseinandersetzungen fielen rund 3.500 Menschen zum Opfer. An die 200.000 Menschen suchten den Weg ins westliche Ausland. Und viele von ihnen fanden ihn über die Brücke von Andau.
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