
Wenn Kinder sprachlos bleiben
Sprachentwicklungsstörungen liegen vor, wenn Kinder Schwierigkeiten haben, sich auszudrücken oder Informationen richtig zu verstehen. Häufig zeigt sich diese Störung familiär gehäuft, was auf eine starke genetische Komponente hindeutet. Zusätzlich beeinträchtigen unzureichende sprachliche Anregungen in der Familie, oft in Zusammenhang mit häufigem Medienkonsum, die Sprachentwicklung der Kinder. Dies führte zu einem besorgniserregenden Anstieg von Sprachstörungen: Zwischen 2019 und 2021 wuchs die Zahl der betroffenen 6- bis 18-Jährigen um rund 9 Prozent, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um fast 21 Prozent, wie eine deutsche Krankenkassenstudie1 belegt.
Ab einem Alter von zirka zwei Jahren lässt sich ein erhöhtes Risiko für eine Sprachentwicklungsstörung feststellen. Wenn das Kind im Alter von zwei Jahren noch weniger
als 50 Wörter spricht und noch keine Wörter zu ersten Zwei-Wort-Sätzen verbindet, zählt es zu den sogenannten „Late talkers“ („Spätsprechern“). Wenn es zudem wenig Interesse für Sprache zeigt und auch beim Sprachverstehen Schwierigkeiten hat, ist die Wahrscheinlichkeit, sprachlich ohne Unterstützung aufzuholen, gering. „Wenn man solche Beobachtungen macht, sollte man dies mit dem Kinderarzt besprechen, denn die Sorgen stellen sich oft als berechtigt heraus“, sagt Priv.-Doz. Dr. Daniel Holzinger, Leiter des Zentrums für Kommunikation und Sprache am Institut für Sinnes- und Sprachneurologie der Barmherzigen Brpder Linz.
Begabt und intelligent
Betroffene Kinder tun sich schwer, ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen und sich verbal auszudrücken. Dies kann zu Frustration und sozialer Isolation führen, da sie Schwierigkeiten haben, mit anderen zu kommunizieren. Häufig werden diese Kinder als unbegabt oder desinteressiert eingeschätzt. „Neben Schwierigkeiten beim Verstehen gelesener Texte ist auch die Teilnahme an einer Gruppendiskussion oder ein Verstehen des Lehrers für ein Kind mit einer Sprachentwicklungsstörung nur eingeschränkt möglich“, weiß Priv.-Doz. Holzinger aus Erfahrung. Lesen und Schreiben fällt diesen Kindern besonders schwer, aber auch andere Fächer bereiten Probleme, da sich das Sprachdefizit bei verschiedenen Aufgabenstellungen, etwa in der Mathematik, auswirkt. Bei Testungen zeigt sich, dass Kinder mit Sprachstörungen durchaus intelligent sind und dass lediglich das mangelnde Sprachverständnis oder der sprachliche Ausdruck Schwierigkeiten bereitet. In anderen Bereichen haben diese Kinder wiederum besondere Stärken, die es zu beachten, zu fördern und zu schätzen gilt! Auch Eltern müssen sich angesichts schlechter Noten immer wieder klarmachen, dass ihre Kinder nicht dumm sind. „Darum ist eine eindeutige Diagnose sehr wichtig, sonst wird man dem Kind nicht gerecht“, so Holzinger. Eine Diagnose hilft auch dem Kind, ihm sollte seine besondere Veranlagung unbedingt erklärt werden.
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