Ich höre dir zu
Ein gutes Gespräch ist keine Diskussion und es geht auch nicht darum, jemanden von seiner Meinung zu überzeugen. Ein gutes Gespräch bedeute vielmehr, dem Gesprächspartner „ein Ohr zu schenken“, betont Dr. Daniel Bindernagel, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Schweiz, in seinem Ratgeber „Ich höre dir zu – Gute Gespräche im Alltag“. In der Einführung führt er weiter aus: „,Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‘, sagt eine Redewendung. Manchmal sei es besser, zu schweigen, statt Unpassendes oder Überflüssiges zu sagen, soll sie uns erinnern. Wie können wir nun dieses Unpassende und Überflüssige weglassen? Zuhören wäre eine Möglichkeit, dann noch einmal zuhören und dann vielleicht eine offene Frage stellen. So kommt unser Gegenüber zu Wort. Reden wird zu Silber, zu etwas Wertvollem.“
Nur wer aufmerksam zuhört, kann wirklich verstehen, was der andere ihm gerade mitteilen möchte. Durch gezieltes Nachfragen, Blickkontakt, hie und da ein bestätigendes Nicken oder eine dezente Äußerung wie „Ja“ oder „mmh“ kann man dem Gesprächspartner signalisieren, dass man am Gesagten interessiert ist. Keinesfalls sollte man den anderen unterbrechen, solange er seine Gedanken ausführt, auch kurze Gesprächspausen müssen nicht mit eigenen Worten gefüllt werden. Hat der Gesprächspartner geendet, dann hat der bisherige Zuhörer genügend Zeit, seine eigenen Gedanken zu formulieren. Denn in einem guten Gespräch ist der Anteil aus eigenem Erzählen und aktivem Zuhören ausgeglichen.
Gute Gründe würdigen
Eine weitere wichtige Voraussetzung für ein gutes Gespräch, so Dr. Bindernagel, sei das Würdigen, das leider heute viel zu kurz komme. „Mit dem Vorgang des Würdigens ist dabei nicht bloß ein Lob gemeint, das häufig ein Gefälle markiert zwischen dem, der lobt, und derjenigen, die gelobt wird. Gemeint ist vielmehr eine umfassende Anerkennung dessen, was ist, auf Augenhöhe“, schreibt er, und weiter: „Viele Konfliktmuster in unserer Kommunikation könnten sich auflösen, wenn es uns gelingen würde, einen Schritt zurückzutreten und das zu würdigen, was unser Gegenüber verletzt hat, traurig macht oder
in Rage bringt. Es geht also ,nur‘ darum, dasjenige zu würdigen, was unser Gegenüber gerade beschäftigt, umtreibt.“
Damit glaubhaftes Würdigen gelingen kann, müssten wir uns von der Vorstellung lösen, den anderen ändern zu wollen, betont Dr. Bindernagel. Hilfreich sei es vielmehr, für jedes Tun „gute Gründe“ anzunehmen, das heißt tiefer liegende Beweggründe für dieses Verhalten. „Beim Vorgang des Würdigens unterstelle ich dem Verhalten meines Gegenübers einfach ,gute Gründe‘. Dadurch erhält er einen Vorschuss an Vertrauen und Anerkennung“, führt er weiter aus. Nach „guten Gründen“ kann man im Gespräch auch direkt fragen, etwa: „Du wirst gute Gründe dafür haben! Fällt dir dazu etwas ein?“
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