Das Frauenknie ist anders
Granatapfel: Stimmt es, dass mehr Frauen Prothesen tragen als Männer?
Primarius Djahani: Ja, das stimmt. Die Verteilung der Knieprothesen zwischen Frauen und Männern liegt bei 60:40. Ab 75 Jahren verschiebt sich dieses Verhältnis noch weiter, dann sind nämlich doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen. Studien und Statistiken zeigen, dass Frauen in der Bevölkerung insgesamt häufiger von Kniegelenksarthrose betroffen sind, was eine der Hauptursachen für den Einsatz von Knieprothesen ist. Zu erklären ist dies unter anderem mit anatomischen Unterschieden, Lebensstil und Gewicht sowie hormonellen Einflüssen.
Braucht es daher eigene Knieprothesen für Frauen?
Durchaus. Die Geometrie des Kniegelenks unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und insbesondere zwischen den Geschlechtern. Bei Frauen zeigen sich im Vergleich zu Männern geschlechtsspezifische Unterschiede, denen auch bei der Prothetik Rechnung getragen werden muss. Sonst kann es passieren, dass zum Beispiel ein zu großes Gelenk implantiert wird, das Probleme bereiten kann. Hinzu kommen aber noch viele weitere geometrische Merkmale, die bei modernen Kniegelenken Berücksichtigung finden. Der Oberschenkelhals, der bei Frauen stärker nach vorne geneigt ist und schräg in Richtung Hüfte verläuft, führt dazu, dass Frauen ihre Kniegelenke häufig nach innen drehen. Dadurch neigen sie im Vergleich zu Männern eher zu X-Beinen. Diese anatomische Besonderheit erhöht beispielsweise das Risiko für einen Kreuzbandriss.
In Österreich erhielten 2023 mehr als 15.000 Patient:innen eine Knie-Totalendoprothese, 61 Prozent davon waren Frauen, 39 Prozent Männer.
Es ist zu erwähnen, dass Österreich hinsichtlich der Anzahl an Knieprothesen pro 100.000 Einwohner:innen unter den Top drei Nationen in Europa liegt. Zu dieser hohen Zahl tragen die steigende Lebenserwartung und der hohe Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung bei. In Österreich wird kontinuierlich an der Verbesserung der Knieprothetik geforscht. Fortschritte in der Materialtechnologie, individualisierte Prothesen und verbesserte Operationsmethoden tragen dazu bei, die Ergebnisse für Patient:innen weiter zu verbessern. Auch die Entwicklung von personalisierten Knieprothesen, die exakt an die Anatomie der Patient:innen angepasst sind, ist ein aufstrebender Trend.
Frauen, die in den vergangenen Jahren eine Knie-Endoprothese erhalten hatten und nun auf der zweiten Seite mit dem neuen Gelenk versorgt wurden, sprechen angeblich übereinstimmend von einem angenehmeren „Körpergefühl“ mit dem neuen Gelenk. Welche Bedeutung hat das Körpergefühl?
Man kann das tatsächlich messen. Diesbezüglich wurde vor Jahren eine Skala eingeführt, der sogenannte „forgotten joint score“. Er gibt an, inwieweit der Patient beziehungsweise die Patientin überhaupt das Gefühl hat, ein künstliches Gelenk zu haben. Einflussfaktoren für ein besseres „Gelenksgefühl“ sind sicherlich einige zu nennen. Hier sehe ich die individualisierte, an die jeweilige Anatomie angepasste Versorgung der Patient:innen mit einem künstlichen Kniegelenk als entscheidenden Faktor. Das inkludiert natürlich auch die geschlechterspezifisch angepasste Versorgung.
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