Erinnern und Vergessen - Demenz kennt keine Auszeit an Weihnachten
Ausgeschnittene Filzsterne, eine Bienenwachskerze eingerollt in einem Weihnachtsgedicht, ein frischer Tannenzweig und fleißige Hände – Michaela Kohlmayr Seniorenanimateurin am Department für Akutgeriatrie und Remobilisation, ist in der Vorweihnachtszeit gemeinsam mit den PatientInnen der Station mit Bastelarbeiten viel- beschäftigt. Gerade jetzt in der Adventszeit herrscht hier eine besondere Stimmung. Hell, freundlich und vor allem bunt zeigt sich der Gemeinschaftsraum an der Abteilung für Akutgeriatrie und Remobilisation des Ordenskrankenhauses. Bunt vor allem deswegen, weil überall die von den älteren Menschen gefertigten kleinen Weihnachtsgeschenke zu sehen sind. Dreimal die Woche besucht die Beschäftigungstherapeutin die Station. Die Gruppengröße ist individuell und wird an die kognitiven Ressourcen und Erkrankungen der PatientInnen angepasst. Im Interdisziplinären Team der Seniorenanimateurin und Ergotherapeuten wird gemeinsamen gebastelt, gebacken und gesungen.
Aktiv gegen das Vergessen
Stets griffbereit rund um die Weihnachtszeit sind auch ein paar getrocknete Nüsse und frische Äpfel aus ihrem Garten. „Wenige, einfache Dinge sind oft ausreichend“, um Erinnerungen zu wecken, was sich vor allem in der Sinnesarbeit zeigt“, erzählt Michaela Kohlmayr. Jede/r PatientIn, der/die an der Gruppenaktivität im interdisziplinären Team teilnimmt, leistet einen Beitrag und erfreut sich am Ende über die selbstgebastelten Sterne, die rund um Weihnachten anderen PatientInnen im Krankenhaus geschenkt werden. Seit Jahren werden handgefertigte Weihnachtsgeschenke für jene PatientInnen, die den Heiligen Abend im Elisabethinen-Krankenhaus verbringen müssen, hergestellt und durch Mitglieder des Pastoralrates ausgeteilt. Nach dem Motto: „Von
Patienten – für Patienten“ trägt dieser Brauch zu einer weihnachtlichen Stimmung bei.
Generell werden hier am Department für Akutgeriatrie und Remobilisation geriatrische PatientInnen mit einem höheren Lebensalter (in der Regel über 65 Jahre) und unterschiedlichen Grunderkrankungen wie z. B. Herzkreislauferkrankungen oder Traumafolgen (z.B. nach Schenkelhalsbrüchen oder Gelenksersatz) von einem multiprofessionellen und interdisziplinären Team versorgt und behandelt. Insbesondere PatientInnen mit dementieller Erkrankung brauchen spezielle Zuwendung und Aufmerksamkeit, besonders während einer stationären Behandlung, da der Krankenhausaufenthalt eine große Belastung darstellt. Oftmals ist die Demenz auch ein Zufallsbefund, der während eines Krankenhausaufenthaltes als Nebendiagnose festgestellt wird.
Für die zahlreichen medizinisch, pflegerische und bauliche Maßnahmen rund um und für unsere älteren PatientInnen, wurde das Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt vor wenigen Wochen erst österreichweit zur ersten zertifizierten altersfreundlichen Gesundheitseinrichtung ernannt – kurz zum „age friendly hospital“.
Verdient hat sich das Krankenhaus diese Zertifizierung durch seine jahrelangen Bemühungen und Innovationen im Bereich der Medizin für ältere PatientInnen. Getragen wird diese Auszeichnung von dem Österreichischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, kurz ONGKG. Dazu zählt auch, dass die Stationen so gestaltet sind, dass Möglichkeiten für Gruppenaktivitäten geschaffen wurden.
„Wie in alten Zeiten“ – Erinnerungen wachrufen
Es ist Freitag. Hier im Gemeinschaftsraum läuft im Hintergrund zum Einläuten der Weihnachtszeit Musik. Vertraute Lieder, bekannte Klänge. Gerne greift Michaela Kohlmayr auch selbst zur Gitarre und stimmt mit den SeniorInnen bekanntes Liedgut an. Oft können die PatientInnen noch viele Strophen von bekannten Liedern auswendig. Das schenkt ihnen ein Erfolgserlebnis und wirkt identitätsstiftend. Traditionell verankerte Erinnerung ist im Menschen gut abgespeichert und weckt positive Erinnerungen, weiß die Feldkirchner Seniorenanimateurin.
Menschen mit Demenz brauchen positive Gefühle
Im Elisabethinen-Krankenhaus werden Erkrankte trotz eines fortgeschrittenen demenziellen Verlaufs betreut. Departmentleiter Oberarzt Dr. Walter Müller, MSc stattet der Runde rund um Michaela Kohlmayr gerne mal einen Besuch ab. Die Adventszeit und das Weihnachtsfest mit ihren Traditionen und Ritualen können Menschen mit demenzieller Erkrankung Orientierung, Halt und Hoffnung geben. „Gerade eine Demenzerkrankung kann die Erinnerungen durcheinanderbringen oder sie ganz auslöschen. Eine fremde Umgebung, fremde Menschen und unbekannte Abläufe im Krankenhausalltag stellen für Betroffene meist eine große Belastung dar. „Während aktuelle Bezüge und Erfahrungen bei den PatientInnen verloren gehen, lassen sich alte Erinnerungen, wie jene an die guten alten Zeiten, oft noch wachrufen“, sagt der Geriater. „Die Gefühle bleiben. Das Herz wird nicht dement“, meint Michaela Kohlmayr.
Neben den kognitiven Beeinträchtigungen zeigen PatientInnen auch häufig andere Symptome wie nächtliche Unruhe, aber auch herausforderndes Verhalten. Die Teams der Stationen sind speziell auf den Umgang mit den Betroffenen sowie deren Angehörigen geschult und ausgebildet.
Die Stationen des Elisabethinen-Krankenhauses sind speziell auf die Bedürfnisse älterer Patienten abgestimmt.
„Altersfreundlich“ im gesamten Krankenhaus
Für die ÄrztInnen und Pflegefachkräfte am Elisabethinen-Krankenhaus ist der Umgang mit älteren und demenzerkrankten PatientInnen ein wesentlicher Bestandteil des Alltags. Bereits vor einigen Jahren wurde eine interdisziplinäre Demenzgruppe, mit dem Ziel eine altersfreundliche und demenzsensible, pflegerische Betreuung und Versorgung im Krankenhausalltag zu ermöglichen, implementiert. Damit trifft das Krankenhaus den Zahn der Zeit: Etwa 100.000 ÖsterreicherInnen leiden an einer dementiellen Erkrankung. 2050 wird diese Zahl auf etwa 230.000 angestiegen sein – denn mit dem Alter steigt die Häufigkeit einer möglichen Erkrankung (Österreichische Alzheimergesellschaft, 2022). „Dies führt dazu, dass auch die Zahl der PatientInnenen mit Demenz zunimmt“, rechnet OA Dr. Müller, MSc vor.
Beim Durchgang durchs Haus mit den an die Biografie der PatientInnen abgestimmten Türschildern (Orientierungshilfen) mit Tieren und Symbolen zeigt Stationsleitung Hr. DGKP Fussi Markus gemeinsam mit dem Departmentleiter OA. Dr. Müller die räumlichen Anpassungen an eine altersfreundliche Atmosphäre. Die gemütlichen Sitznischen und die Raumbeleuchtung mit gewünschtem Farbspiel dienen dazu, das Wohlbefinden der PatientInnen zu steigern. Sowohl die akutgeriatrische, als auch die neuen internen Stationen des Elisabethinen-Krankenhauses erfüllen bereits die Vorgaben einer demenzsensiblen Gestaltung. „Ziel ist es die Reizüberflutung im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Krankenhaus zu verringern und eine wohnliche Umgebung zu schaffen, um ein Wohlgefühl in den PatientInnen auszulösen“, weiß Prim. Dr. Hans Jörg Neumann, MSc Vorstand der Abteilung für Innere Medizin.
Emotionen – das Tor zur Welt
Am besten gelingt dies, wenn man die PatientInnen über die Gefühlswelt und Emotionen erreicht – etwa über vertraute Rituale. Auch das Teilhaben, Erleben, Mitempfinden und sich erfreuen ist dabei von Bedeutung. Die Gruppenarbeit – zu jeder Zeit im Jahr – stärkt den Gemeinschaftssinn. Eine besondere Stimmung herrscht in der Adventszeit, stellt Michaela Kohlmayr fest: Kekse genießen, Lieder singen, basteln, Sinnesarbeit durch Düfte und Klänge, Gespräche um die besondere Jahreszeit und vor allem um die gelebte Erinnerung an Damals.
Schatzkisten voller Erinnerungen
So wurden an den Stationen des „age-friendly hospitals“ in Klagenfurt auch „Demenzschatzkisten“ eingeführt. Die Erinnerungskisten mit Utensilien wie etwa Demenzpuppen und diversem Aktivierungsmaterial wie Greifzöpfen, (Nestelschürze) bieten ein großes Einsatzspektrum. In der Einzel- oder Gruppenaktivierung gelingt es mit ihrer Hilfe, TeilnehmerInnen ganzheitlich über eine Kombination aus Gegenständen und verschiedenen sinnlichen Elementen anzusprechen. „Durch gezielte Bewegungen wie dem Öffnen und Schließen von Verschlüssen und Druckknöpfen, Binden von Maschen und Bändern werden motorische Fähigkeiten trainiert, geistige Anregung und Abwechslung geschaffen – und somit auch Erfolgserlebnisse erzielt. Es eröffnet sich damit auch ein Zugang zum emotionalen Erfahrungsgedächtnis“, berichten die Altersexperten OA Dr. Walter Müller, MSc und Prim. Dr. Hans Jörg Neumann, MSc.
Das soziale Dasein vergessen
Die Pandemie hat bei älteren Menschen Spuren hinterlassen, stellt Michaela Kohlmayr fest. Die „stillste Zeit im Jahr“ kann für manche Menschen allzu still werden. „Gerade ältere Personen haben in den vergangenen zweieinhalb Jahre ihre sozialen Kontakte massiv eingeschränkt, sind vereinsamt in ihren vier Wänden und tun sich nun schwer wieder mit Menschen in Kontakt zu treten.“ Die gemeinsamen Aktivitäten im Elisabethinen-Krankenhaus sind oft eine erste Annäherung, Abwechslung und Freude zugleich und das nicht nur rund um das Fest der Liebe.
Erfüllung der UN Sustainable Development Goals (SDG)
Mit den Bemühungen rund um das Thema Blutspenden trägt das Elisabethinen-Krankenhaus Klagenfurt auch zu 2 der insgesamt 17 „Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen bis 2030“ (SDGs) bei. Diese definieren das Erreichen von globalen und nachhaltigen Zielen.
Ziel 3 Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
Ziel 17 Umsetzungsmittel stärken und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen.