Kann man die Augen eines Babys untersuchen?
Auch Baby-Augen können und sollen augenärztlich untersucht werden, um eventuelle angeborene Anomalien auszuschließen, rechtzeitig zu erkennen und durch geeignete Behandlung die regelrechte Entwicklung zu gewährleisten.
Besonders wichtig ist das bei bekannten vererbbaren Augenerkrankungen in der Familie, wie zum Beispiel Schielen der Eltern, angeborenem grauen Star oder angeborenem Glaukom („Buphthalmus“), aber auch bei Frühgeborenen. In diesen Fällen können nämlich durch rechtzeitige konservative oder operative Behandlung schwere Beeinträchtigungen des Sehens vermieden werden.
Beim Neugeborenen beobachtet der Augenarzt die Stellung der Lider, Lidspalten und Augen. Die Pupillen sollten seitengleich und rund sein und prompt auf Licht reagieren.
Hornhaut und Linse sollten klar sein. Eine Linsentrübung (angeborenem grauen Star) fällt meist auch ohne Spaltlampenuntersuchung auf, und sollte sobald wie möglich dem Augenchirurgen vorgestellt werden. Auch eine Trübung der Hornhaut wie sie beim angeborenen Glaukom (Augendruckerhöhung) vorkommt sollte im Hinblick auf Vermeidung von irreversiblen Schäden sofort therapiert werden.
Die Verlegung der optischen Achse (Gesichtslinie eines Auges) durch Ptosis (Herabhängen des Oberlides), grauen Star (Linsentrübung) oder Hornhauttrübung ist beim Baby ein augenärztlicher Notfall, da durch Deprivation (Wegfall des optischen Reizes) das Auge in einer wesentlichen Phase der Ausreifung an der vollen Entwicklung der Sehschärfe behindert wird! Es kommt zur Amblyopie oder Schwachsichtigkeit.
Zur vollständigen Untersuchung gehört auch die Begutachtung des Augenhintergrundes (Fundus). Meist wird dazu die Pupille medikamentös, durch Eintropfen, erweitert. Der Augenarzt beurteilt hier den Sehnervenkopf (die Papille), die Netzhaut mit der Stelle des schärfsten Sehens (= der gelbe Fleck oder die Macula lutea) und die Blutgefäße, die die Netzhaut versorgen. Besonders wichtig ist diese Untersuchung bei Frühgeborenen zur rechtzeitigen Erkennung der sogenannten Frühgeborenen-Netzhauterkrankung, die unbehandelt zur Erblindung führen kann.
Beim älteren Säugling (etwa im 3.-4. Lebensmonat) kann der Augenarzt oder – wie zum Beispiel bei uns an der Sehschule – die Orthoptistin mit Hilfe eines für das Kind interessanten Objektes die Fixation, die Augenstellung und die Folgebewegungen prüfen.
In diesem Alter würde sich auch ein Augenzittern, der sogenannte congenitale Nystagmus manifestieren. Oft weist das Auftreten dieses Symptoms auch auf einen schweren Defekt des visuellen Systems hin: wie z.B. bisher nicht bekannte beidseitige Medientrübung, Netzhauterkrankungen oder Sehnervenatrophie.
Bis etwa zum Ende des 1. Lebensjahres sollte grundsätzlich jedes Kind augenärztlich untersucht worden sein. Dabei soll ein Abdeck-Aufdecktest (Covertest) durchgeführt werden, um ein Schielen und eine daraus entstehende Schwachsichtigkeit am Schielauge auszuschließen, eine Prüfung der ein- und beidäugigen Sehschärfe und des räumlichen Sehens und natürlich die Skiaskopie („Schattenprobe“) auch als „Tropfuntersuchung“ bekannt. Dabei wird mit Augentropfen die Akkomodation oder Naheinstellung des Auges vorrübergehend ausgeschaltet und der Augenarzt kann objektiv die Brechkraft des Auges, die Dioptrien, messen und eine eventuell notwendige Brille verordnen.
OA Dr. Liselotte Keintzel