Tiefe Venenthrombose (TVT)
Die tiefe Venenthrombose (TVT) ist eine häufige, schwerwiegende und oft unterschätzte Erkrankung.
Die Diagnose allein aufgrund der Klinik ist zumeist nicht möglich, weil die Symptome unspezifisch sind. Nur ein Diagnosealgorithmus aus anamnestischen und klinischen Daten, sowie Bestimmung des D-Dimers und Bildgebung mittels Sonografie gibt dem Arzt und dem Patienten eine ausreichende Sicherheit.
Die Therapie ist durch die neuen Antikoagulantien einfacher und nebenwirkungsärmer geworden. Die Kompressionstherapie ist zwar in Diskussion geraten, hat aber – richtig angewandt – nach wie vor einen hohen Stellenwert. Die ambulante Behandlung ist bei geringer Ausdehnung der Thrombose in Einzelfällen möglich, aus unserer Sicht hat aber eine kurze stationäre Aufnahme entscheidende Vorteile für den Patienten, der in kurzer Zeit umfassend und rationell abgeklärt, betreut und stufenweise beraten werden kann.
Ziel der Behandlung ist es frühe (Lungenembolie) und späte (postthrombotisches Syndrom) Komplikationen zu vermeiden.
Die verschiedenen Guidelines bieten ein mittlerweile sehr umfangreiches Kompendium der aktuellen Standards. Leider widersprechen sie sich in einzelnen Punkten sogar. Aus diesem Grund haben wir für die tägliche Praxis eine hausinterne Richtlinie zusammengestellt, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird, und die alltägliche Arbeit am Patienten erleichtert.
ALLGEMEINES
Die tiefe Venenthrombose (Phlebothrombose) betrifft meist die Bein- oder Beckenvenen, selten auch die Armvenen oder Venen an speziellen Lokalisationen des Körpers.
Man muss die tiefe Venenthrombose von der Thrombose der oberflächlichen Venen (Thrombophlebitis) unterscheiden, die meistens harmlos verläuft. Es gibt aber Übergänge zwischen beiden Formen.
Generell kommt es bei der Venenthrombose zur Bildung eines Blutgerinnsels in der Vene, welches je nach Ausdehnung den Rückstrom des Blutes zum Herzen behindert.
Akute Gefahr droht durch einer Lungenembolie. Dabei wird das Gerinnsel von den Beinvenen mit dem Blutstrom in die Lunge verschleppt, wo es die Lungenarterien verstopft. Dies kann zu akuter Atemnot und zum Kreislaufschock, ja sogar zum Sekundentod führen.
Die Ausdehnung der Beinvenenthrombose kann unterschiedlich sein. Entweder betrifft sie nur die Venen des Unterschenkels (1-Etagen-Thrombose) oder auch die Knie-, Oberschenkel- und Beckenvenen (2-, 3-, oder 4-Etagenthrombose). Meistens breitet sich die Thrombose von den Unterschenkel- zu den Beckenvenen hin aus (aufsteigender Typ). Dementsprechend nehmen auch die Symptome und die Gefährlichkeit zu!
SYMPTOME
Meist kommt es zu einer schmerzhaften Schwellung des betroffenen Beins. Die oberflächlichen Venen können vermehrt sichtbar werden. Eine bläuliche Verfärbung und Überwärmung des Beins kann auftreten. Der Umfang des betroffenen Beins kann im Vergleich zur gesunden Gegenseite zunehmen.
Die frühen Zeichen der Thrombose sind aber leider nur gering ausgeprägt und nicht beweisend. Oft werden sie zum Beispiel als Muskelkater falsch gedeutet.
DIAGNOSE
Am wichtigsten ist es, an die Möglichkeit einer Thrombose zu denken und bei Verdacht umgehend den Arzt oder die Ambulanz aufzusuchen!
Anhand der Befragung und der klinischen Untersuchung des Patienten wird mit Hilfe eines speziellen Punktesystems (Wells Score) die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Thrombose bestimmt.
Wenn die Thrombose damit nicht ausgeschlossen werden kann, werden weitere Untersuchungen veranlasst: vorerst eine Blutuntersuchung, nämlich der D-Dimer-Wert, dann eine Ultraschalluntersuchung der Beinvenen und in speziellen Fällen eine Kontrastdarstellung der Beinvenen unter Durchleuchtung, eine Phlebographie. Weiterführende Untersuchungen wie eine CT oder MR Untersuchung können in Sonderfällen notwendig werden.
Andere Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie die Beinvenenthrombose hervorrufen, müssen mitunter ausgeschlossen werden (zum Beispiel Blutergüsse in den Muskeln, Zysten in den Gelenken, Lymphstau, usw.)
URSACHEN
Es gibt eine Unzahl von Ursachen und begünstigenden Umständen (Risikofaktoren), meist wirken mehrere Faktoren bei der Entstehung einer Thrombose zusammen.
Der wichtigste Faktor ist eine Ruhigstellung (Immobilisierung) des Beins aus welchem Grund auch immer: bei Bettlägrigkeit durch Krankheit, Unfall oder Operation; bedingt durch Gipsverband; nach langen Autofahrten, Bus- oder Flugreisen.
Eine Eindickung des Blutes durch zu geringes Trinken oder durch Austrocknung bei verstärkten Flüssigkeitsverlusten kann die Bildung einer Thrombose verursachen.
Bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel die „Pille“, können zur Entstehung beitragen.
Es gibt auch eine angeborene Neigung zu Thrombosen, die Thrombophilie genannt wird.
Krampfadern (Varizen), Übergewicht (Adipositas) oder eine Schwangerschaft können eine Thrombose begünstigen.
Bösartige Tumoren können eine Thrombose verursachen. Umgekehrt kann eine Thrombose ein erster früher Hinweis auf einen Tumor darstellen.
Generell bekommen ältere Menschen häufiger eine Thrombose als jüngere.
Wer schon einmal eine Thrombose erlitten hat, ist gefährdet, wieder eine zu bekommen (Rezidiv).
THERAPIE
Die Behandlung ist meistens konservativ! Nur selten sind operative Eingriffe erforderlich.
Medikamente:
Als wichtigste Säule gilt die Blutverdünnung. Dafür stehen mehrere Substanzen zur Verfügung.
- Heparin (sogenannte „Thrombosespritze“, im Volksmund „Bauchspritze“ genannt)
- Vitamin - K - Hemmer (z.B. Marcoumar)
- Neue Gerinnungshemmer (z.B. Xarelto, Eliquis oder Pradaxa)
Die neuen Gerinnungshemmer haben den Vorteil, dass weniger Laborkontrollen notwendig sind.
Die Blutverdünnung soll einerseits das Fortschreiten der Thrombose im betroffenen Bein verhindern bzw. deren Rückbildung begünstigen, andererseits das Auftreten einer Lungenembolie hintanhalten. Langfristig gegeben reduziert sie die Häufigkeit eines Rezidivs, also des Wiederauftretens einer neuerlichen Thrombose.
Alle blutverdünnenden Medikamente können in unterschiedlichem Ausmaß zu unerwünschten Blutungen führen.
Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin, Thrombo ASS….) hat nur eine sehr geringe Wirkung auf das Venensystem und bewährt sich viel besser bei den Arterien.
Die Aufgabe des Arztes ist es also das individuell am besten geeignete Medikament auszuwählen und die korrekte Einnahmedauer festzulegen. Manchmal ist sogar eine dauerhafte oder lebenslange Einnahme empfehlenswert und notwendig.
Kompressionsbehandlung
Vorerst wird das Bein bandagiert. Dann werden individuell angepasste medizinische Kompressionsstrümpfe verordnet. Dadurch werden die Beschwerden reduziert, die frühe Mobilisation ermöglicht und die Rezidivgefahr vermindert.
Mobilisation
Die früher aus Angst vor einer Lungenembolie angeordnete tagelange strikte Bettruhe ist heute nicht mehr erforderlich. Im Gegenteil: man achtet auf eine möglichst frühzeitige Mobilisierung der Patienten!
Systemische Lyse
Dabei handelt es sich um die intravenöse Verabreichung von Medikamenten, die die Gerinnsel in den Beinvenen auflösen können. Diese Therapieform wird wegen der Gefahr von schweren Blutungen nur mehr selten angewandt.
Bei lebensbedrohlichen Lungenembolien mit Kreislaufschock kann sie aber notwendig werden.
Lokale Lyse
Die Medikamente, die die Gerinnsel auflösen, können mit verschiedenen Kathetersystemen auch lokal an das Gerinnsel herangebracht werden, oft auch kombiniert mit einer mechanischen Fragmentierung. Diese Behandlungsform wird gegenwärtig intensiv wissenschaftlich untersucht, aber noch nicht in breitem Maßstab eingesetzt.
Cavafilter
Die Platzierung eines mechanischen Filters in die untere Hohlvene dient der Verhinderung von Lungenembolien, ist aber lediglich in Sonderfällen indiziert.
Chirurgie
Die chirurgische Wiedereröffnung von thrombotisch verschlossenen Beinvenen kann bei schwersten Formen der tiefen Venenthrombose erforderlich werden und steht an unserer Spezialabteilung jederzeit zur Verfügung.
POSTTHROMBOTISCHES SYNDROM (PTS)
Dieses stellt eine sehr unangenehme Spätfolge einer Beinvenenthrombose dar: gering ausgeprägt als dauerhafte Beinschwellung, stärker als Verhärtung und bräunliche Verfärbung der Haut am Unterschenkel, in der schwersten Form als Geschwür (venöses Ulcus) am Unterschenkel.
Die Therapie besteht im Wesentlichen in der dauerhaften Anpassung eines Kompressionsstrumpfes.
Sehr selten müssen Stents in die Beckenvenen gesetzt werden. Nur äußerst selten sind chirurgische Eingriffe an den Venen im Sinne eines Gefäßersatzes oder einer Wiedereröffnung einer verschlossenen Vene möglich bzw. erforderlich. Häufiger sind die operative Behandlung von sekundär auftretenden Krampfadern oder die Reinigung und Spalthautdeckung von Geschwüren.
ZUSAMMENFASSUNG
An unserer auf Gefäßmedizin spezialisierten Abteilung kann für jede nur erdenkliche Variante der Venenthrombose aus der großen Palette der Therapiemöglichkeiten sorgfältig die individuell richtige ausgewählt werden. Die Patienten (und auf Wunsch ihre Angehörigen) werden auf Basis einer exakten Diagnose ausführlich und fachmännisch beraten.