Eine Pandemie und ihre Herausforderungen für Gehörlose
Erfahrungen der multidisziplinären Ambulanz der Barmherzigen Brüder Linz:
Mit Beginn der Pandemie herrschten große Unsicherheit und Angst auf der Seite der gehörlosen Patient*innen. Mit welchen Programmen und Unterstützungsangeboten die Gehörlosenambulanz der Barmherzigen Brüder Linz hier gegengesteuert hat und mit welchen Herausforderungen sie dabei konfrontiert waren, zeigt folgender Bericht.
Corona fordert Gehörlose auf vielen Ebenen
Neben der bekannten, allgemeingültigen Problematik in der Gesamtbevölkerung zeigten sich beim Umgang mit den Gehörlosen rasch weitere Handlungsfelder. Aufgrund der Kommunikationsbarriere entstand von heute auf morgen ein enormer Zeit- und Arbeitsaufwand durch Organisieren, Erklären und Betreuen, was durch das Verbot der Face Shields und der damit verbundenen Maskenpflicht noch eine zusätzliche Brisanz erfuhr. Für die Gebärdensprache sind neben Kopf- und Hand-, auch die Lippenbewegungen wesentlich, um verstehen und sich verständigen zu können.
Mit Fortschreiten der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen spitzte sich die Situation in den gefährdeten Gruppen zu. Vor allem ältere Klient*innen, isolierte Gehörlose – etwa bei psychiatrischen Erkrankungen – Familien in kritischen Situationen und Eltern mit Kindern im Homeschooling standen vor sehr großen Herausforderungen. Es galt, dem kognitiven Verfall einzelner Klient*innen, der Entwicklung von Depressionen, der Verschlimmerung psychiatrischer Erkrankungen und psychosozialen Krisen in Familien entgegenzuwirken. Das Team der Gehörlosenambulanz war stark gefordert.
„Auf der anderen Seite zeigte sich aber auch deutlich, welche großen Vorteile sich durch die Anbindung an das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz ergaben, wie etwa die rasche Aufnahme, die Möglichkeit regelmäßiger Besuche sowie Betreuung und Dolmetscherkontakte.
So konnten wir das Procedere der „kurzen Wege“ zum Wohl unserer Klient*innen einsetzen“, so Dr. Wolfgang Schatzlmayr und Mag.(FH) Stefanie Breiteneder, die das Gesundheitszentrum für Gehörlose leiten.
Vom Krisenmodus zur „neuen Normalität“
Auch im Bereich der Gehörlosenbetreuung herrschte bald die vielzitierte „neue Normalität“. Bei den sozialen Diensten bedeutete dies kontinuierliche sozialpädagogische Familienbegleitung, Sozialberatung – mit Ausnahme im ersten Lockdown – vermehrte Beratungsgespräche bei der Arbeitsassistenz und Fernunterricht. Spielgruppen und ein Erwachsenenbildungsprojekt mussten hingegen pausieren.
Der Bereich Telemedizin wurde rasch auf- und laufend ausgebaut. So kam es zu einem breiten Einsatz von Videochats. In deren Zentrum standen vor allem die Symptomabfrage, eine eigene Corona-Testing Hotline, die Unterstützung bei der Handhabung von Quarantänevorschriften, Aufklärungen rund um das Covid19-Erkrankungsbild sowie den Krankheitsverlauf und Therapiemöglichkeiten inkl. Medikamentenversorgung mittels Kooperation mit der Apotheke der Barmherzigen Brüder Linz. In Zahlen gefasst bedeutet dies, dass 2020 gesamt 1007 Videochats mit 227 Personen und bis Mitte Oktober 2021 778 Chats mit 204 Personen durchgeführt wurden. Das Fazit ist trotz relevantem Mehraufwand und technischer Hürden durchwegs positiv.
Impfaufklärung für Risikopatient*Innen
Sobald klar war, dass zeitnah der Impfstoff zur Verfügung stehen würde, begann auch in diesem Bereich ein umfassendes Informations- und Maßnahmenprogramm. Ausführliche Erklärungen zur Impfung, die Organisation von individuellen Impfterminen – zunächst insbesondere für Risikopatient*innen inkl. Begleitung – sowie die Organisation von Impfstraßen standen dabei im Zentrum. Bisher konnte das Team der Gehörlosenambulanz fast 200 Impfungen organisieren und betreuen.
Eine wichtige Rolle spielten hier auch die sozialen Medien, allen voran die Facebook-Seite der Gehörlosenambulanz Linz - https://www.facebook.com/glamblinz – über die immer wieder auch zur Impfung aufgerufen wurde. In Zusammenarbeit der Gehörlosenambulanzen Wien, Linz, Salzburg und Graz entstand zudem eine umfassendes Aufklärungsvideo rund um das Coronavirus, die Wirkung der Impfung und mögliche Impfreaktionen. „Gehörlose verstehen die Bedeutung der Impfung sehr gut“, meint dazu Prim. Priv.-Doz. Dr. Johannes Fellinger, Leiter des Instituts für Sinnes- und Sprachneurologie.
Über das Gesundheitszentrum für Gehörlose und Menschen mit Hörbeeinträchtigung
Das Gesundheitszentrum für Gehörlose und Menschen mit Hörbeeinträchtigung bietet Zugang zu medizinischen und sozialen Leistungen.
Pro Jahr werden rund 17.000 Patientenbehandlungen bei Gehörlosen sowie Menschen mit Hörbeeinträchtigung durchgeführt. Das Gesundheitszentrum für Gehörlose hat sich als Anlaufstelle für gehörlose Menschen mit oder ohne zusätzliche Beeinträchtigung, Taubblinde und Patienten mit angeborener oder erworbener Schwerhörigkeit oberösterreichweit etabliert.
Neben medizinischen Leistungen wird eine umfassende Unterstützung für hörbeeinträchtigte Menschen und deren Angehörige im Alltag und Beruf geboten. Das Spektrum reicht von der Frühintervention ab Säuglingsalter bis zum Kommunikationstreffpunkt für Senioren.