Der Einfluss von Masken auf die frükindliche Sprachentwicklung
COVID 19 hat uns deutlich gezeigt, was Virusinfektionen anrichten können. Auch wenn Corona mittlerweile von einer Pandemie zu einer Endemie geworden ist, ist die Welt vor weiteren Pandemien nicht gefeit. Es ist daher wichtig, alle gesetzten Maßnahmen hinsichtlich ihrer Kosten-Nutzen-Relation und ihrer Wirksamkeit zu überprüfen, um für neue pandemische Ereignisse gerüstet zu sein und rasch sowie angemessen zum Schutz der Bevölkerung zu reagieren. Ein wesentlicher Bereich hierbei ist der Einfluss von Masken auf die Entwicklung von Kindern. Es ist wichtig zu verstehen, dass das Tragen von Masken nicht nur dazu beiträgt, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern, sondern auch Auswirkungen auf die kindliche Sprachentwicklung haben kann. Auf diesem Gebiet braucht es jedenfalls Forschungs- Ressourcen.
Kindliche Sprachentwicklung: von Mimik, Hörverstehen und sozialen Aspekten
Die Sprachentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, der während der frühen Kindheit stattfindet und von vielen Faktoren beeinflusst wird. Ebenso vielfältig sind mögliche Störeinflüsse, die zum Wohle unserer Kinder einer sorgsamen Evaluierung bedürfen.
Herausforderung 1: Visuelle Kommunikation
Ein wichtiges Forschungsgebiet, wie das Tragen von Masken die kindliche Sprachentwicklung beeinflussen kann, ist etwa die Verringerung der Möglichkeiten zur visuellen Kommunikation. Kinder lernen oft durch Imitation und Nachahmung. Sie sind auf visuelle Hinweise wie Lippenbewegungen und Mimik angewiesen, um Sprache zu verstehen und zu lernen. Wenn das Gesicht der Sprecher*innen durch eine Maske verdeckt ist, können Kinder diese visuellen Hinweise nicht sehen und möglicherweise Schwierigkeiten haben, die Sprache zu verstehen.
„Die Wahrnehmung von Emotionen über das Gesicht darf in ihrer Wichtigkeit für die soziale zwischenmenschliche Kommunikation nicht unterschätzt werden. So ist es wichtig, Kindern mit Autismus sehr eindeutige mimische Botschaften zu senden, damit sie lernen, soziale Signale und Emotionen richtig zu interpretieren. Hier sind Masken sehr hinderlich. Neben Herausforderungen im Spracherwerb für diese Kinder führt das Tragen von Masken generell zu einer mühevolleren Kommunikation und rascheren Ermüdung. Dies hat dazu geführt, dass oftmals weniger kommuniziert wurde, was wiederum nachweislich Auswirkungen auf die Beziehungen mit Gleichaltrigen aber auch die psychische Gesundheit hat“, hebt Priv.-Doz. Dr. Holzinger die besonderen Herausforderungen für Kinder mit Störungen aus dem Autismus- Spektrum hervor.
Herausforderung 2: Erschwertes Verstehen
Es ist oft laut im Kindergarten und in der Klassenzimmerumgebung. Nachhall und Lärm sind an der Tagesordnung, was das Verstehen durch die Dämpfung der Maske noch weiter erschweren kann. Neben anderen Gruppen können auch Kinder mit Höreinschränkungen unverhältnismäßig von diesen Maßnahmen betroffen sein. Masken degradieren das Sprachsignal, indem sie als Tiefpassfilter dienen und die hohen Frequenzen abschwächen, die vom Träger gesprochen werden. Der Dezibelwert der Dämpfung reicht von 3 bis 4 dB für einfache medizinische Masken und bis zu 12 dB für N95-Masken. Durch die Verringerung der Nachhallzeit und des Lärmpegels im Klassenzimmer verbessert sich die Erkennung jedoch. Kinder im Alter von 4 und 5 Jahren sind stärker von Gesichtsmasken und Nachhall betroffen als Kinder im Alter von 6 Jahren.
„Unsere klinischen Erfahrungen zeigen, dass Spracherwerb im Normalfall auch ohne Verfügbarkeit des Mundbilds und der Gesichtsmimik mit nur kleinen Verzögerungen gut möglich ist, so beispielsweise bei blinden Kindern. Kinder mit Schwierigkeiten im Spracherwerb z.B. in Zusammenhang mit einer Hörstörung, einer Störung der Sprechmotorik oder auch einer Störung in der Sprachverarbeitung sind allerdings sehr auf die visuellen Sprachanteile, und hier insbesondere das Mundbild, die Mimik und Gestik des Gegenübers angewiesen. Für die Kommunikation mit gehörlosen bzw. schwerhörigen Menschen gab es zum Glück auch schon während der Pandemie Ausnahmeregelungen, was die Maskenpflicht betrifft“, so Priv.-Doz. Dr. Holzinger.
Herausforderung 3: Auswirkungen auf das soziale Verhalten
Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Tragen von Masken dazu führen kann, dass Kinder unsicher oder ängstlich werden. Kinder können sich unwohl fühlen, wenn sie das Gesicht eines Sprechers, einer Sprecherin nicht sehen können oder wenn sie glauben, dass sie nicht in der Lage sind, effektiv zu kommunizieren. Dies kann dazu führen, dass Kinder sich zurückziehen und möglicherweise Schwierigkeiten haben, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern.
In diesem Zusammenhang hat bereits 2020 ein deutschlandweites Register namens "Co-Ki" erste Ergebnisse veröffentlicht, die aufzeigen, welche Auswirkungen das Tragen einer Mund- Nasen-Bedeckung auf Kinder haben kann. Das Register ist ein Teil des "Co-Ki" Multi- Studienkomplexes und bietet Eltern, Ärzt*innen, Pädagog*innen und anderen die Möglichkeit, ihre Beobachtungen bezüglich des Tragens von Masken bei Kindern und Jugendlichen in einem Online-Register einzutragen. Die Ergebnisse zeigen, dass bis zum 26. Oktober 2020 über 20.000 Personen an der Umfrage teilgenommen haben, wobei die Gruppe der Eltern die meisten Daten zu ihren Kindern (25.930) eingegeben hat.
Die Studie berichtet, dass 68% der Eingebenden über Beeinträchtigungen bei Kindern durch das Tragen von Masken berichten. Die Nebenwirkungen, die am häufigsten genannt wurden, waren Gereiztheit, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, weniger Fröhlichkeit, Schul- und Kindergartenunlust, Unwohlsein, Beeinträchtigungen beim Lernen und Benommenheit sowie Müdigkeit.
Es ist wichtig festzuhalten, dass eine Verzerrung im Hinblick auf besonders schwer betroffene Kinder oder den Schutzmaßnahmen grundsätzlich kritisch gegenüberstehenden Personen nicht ausgeschlossen werden kann. Daher sind weitere repräsentative Umfragen und Studien notwendig, um die Ergebnisse des Registers zu validieren und eine umfassende Nutzen-Risiko- Abwägung der Maskenpflicht bei Kindern vorzunehmen.
Insgesamt ist es wichtig zu verstehen, dass das Tragen von Masken Auswirkungen auf die kindliche Sprachentwicklung haben kann. Es ist jedoch auch zu betonen, dass das Tragen von Masken notwendig ist, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Die Erforschung der unterschiedlichen Einflussfaktoren und Auswirkungen ist daher ein wichtiges Feld der nächsten Jahre.