Die Predigt, die der wortgewaltige Redner und „Apostel von Andalusien" Johannes von Ávila am 20. Jänner 1539, dem Festtag des heiligen Sebastian, in der „Kartause der Märtyrer" hält, beeindruckt und erschüttert Johannes von Gott zutiefst.
Johannes von Ávila
Johannes von Ávila, der auch als Apostel von Andalusien verehrt wird, wurde 1499 in Almodóvar del Campo (Ciudad Real) geboren und starb am 10. Mai 1569 in Montilla (Cordoba).
1894 wurde er von Papst Leo XIII. seliggesprochen und von Paul VI. 1970 heiliggesprochen. Am 7. Oktober 2012 wurde der hl. Johannes von Ávila von Papst Benedikt XVI. zum Kirchenlehrer erhoben. Von den gut 250 Briefen, die von ihm erhalten sind, sind drei an unseren Ordensstifter gerichtet.
In der Beschreibung des ersten Biographen unseres Ordensstifters, Francisco de Castro, erscheint Johannes von Ávila als „hervorragender Mann, ein Lehrer der Theologie, ein Licht und Glanz der Heiligkeit, der Klugheit und der Wissenschaft für alle seine Zeitgenossen. Er war ein Mann, durch dessen gutes Beispiel und heilige Gelehrsamkeit unser Herr in ganz Spanien großen Segen bei allen Volksschichten unter den Seelen stiftete … Und da seine Predigten so gut und so berühmt waren, folgte ihm auch an jenem Tag aus gutem Grund eine große Schar von Gläubigen. Und in dieser Schar, die ihm lauschen wollte, befand sich auch Johannes von Gott" (Castro, Kapitel VII).
Das Leben des heiligen Johannes von Ávila und unseres Ordensgründers sind eng miteinander verbunden. Insbesondere in der Bekehrungsgeschichte des heiligen Johannes von Gott spielte Johannes von Ávila eine entscheidende Rolle. Es waren nämlich die Worte einer seiner berühmten Predigten, die er in Granada in der Kartause der Märtyrer, gegenüber der Alhambra, hielt, welche bei Johannes von Gott eine derart tiefe innere Krise auslösten, dass er „völlig außer sich, Gott mit lauter Stimme um Erbarmen bat. Sodann warf er sich in Verachtung seiner selbst – so wie einer, der nun wirklich das schätzte, was geschätzt werden muss – wild zu Boden, schlug den Kopf gegen die Wand, riss sich die Barthaare und die Augenbrauen aus und tat noch manches, was leicht bei allen den Verdacht erwecken konnte, dass er den Verstand verloren habe.” (Castro, Kapitel VII).
Von Mitleid erfasst, brachten darauf einige hochgestellte Personen Johannes von Gott in die Wohnung von Johannes von Ávila, der ihn von nun an als Seelenführer begleitete. Er war für ihn Beichtvater, Beschützer und Wegbegleiter, kurz wie ein Vater. Auch als Johannes von Gott als verrückt betrachtet wurde und man ihn ins Königliche Hospital von Granada brachte, blieb Johannes von Ávila an seiner Seite, indem er einen seiner Schüler zu ihm sandte, um ihm seine Nähe zu demonstrieren. Und nach seiner Entlassung half er ihm, die Aufgabe zu finden, für die ihn Gott auserwählt hatte.
Nach seiner Entlassung besuchte Johannes von Gott auf der Rückkehr von der Pilgerreise, die er zu Fuß zum Heiligtum der Jungfrau von Guadalupe in Estremadura unternommen hatte, den heiligen Johannes von Ávila in Baeza, wo dieser eine Schule gegründet hatte, welche 1542 zur Universität erhoben wurde. Er informierte ihn über seine Pilgerreise und bat ihn um Rat hinsichtlich seiner neuen Pläne. Johannes von Ávila empfing ihn voll Freude und empfahl ihm als künftigen Beichtvater und Seelenführer Pater Portillo.
Zugleich versicherte er ihm, dass er ihm weiterhin mit Rat und Tat helfen würde, wie die drei Briefe, die er an unseren Heiligen schrieb, beweisen. 1531 wurde Johannes von Ávila zu Unrecht als Häretiker verurteilt und ins Gefängnis gesperrt, wo er die wichtigsten Werke seiner geistlichen Lehre schrieb, allen voran das weltbekannte Audi Filia. 1533 wurde er wieder freigesprochen.
Als wichtiger Helfer erwies sich Johannes von Ávila auch in materieller Hinsicht. Als Johannes von Gott für seine Kranken und Armen ein größeres Haus in Granada suchte, warf Johannes von Ávila mutig sein Prestige in die Waagschale, indem er in seinen Predigten die Bevölkerung aufrief, das Werk unseres Ordensgründers nach Kräften mit Almosen zu unterstützen.
Prophetisch sind bis heute die Worte geblieben, mit denen er Johannes von Gott in Baeza verabschiedete: „ Bruder Johannes, kehrt nach Granada zurück, wo ihr vom Herrn gerufen wurdet. Er, der eure Absicht und euer Verlangen kennt, wird euch den Weg zeigen, auf dem ihr ihm dienen sollt. Haltet ihn bei allem, was ihr tut, stets vor Augen und bedenkt, dass er auf euch blickt, und handelt stets wie in der Gegenwart eines so großen Herrn” (Castro, Kapitel XI).
Diese Worte fühlt die Familie des heiligen Johannes von Gott heute an sich selbst gerichtet. Diesen Worten will sie treu bleiben.
Ávila, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz in der spanischen Region Kastilien-León
IHS – Am Tag der heiligen Fabian und Sebastian
Als Jesus vom Berg stieg (vgl. Lk 6)
Wenn der Herr nicht vom Berg in die Ebene herabgestiegen wäre, d. h. von der Höhe seiner Majestät, um unsere Menschheit durch das Fleisch zu heilen, was wäre aus uns geworden? Wir wären in unserer Schwachheit geblieben. Wenn der Herr nicht das Kleid seiner Größe verlassen hätte, indem er es verbarg, und sich nicht mit der Schürze unserer Menschheit umgürtet hätte, um uns zu waschen, wären die Menschen voll von Elend und Schändlichkeit geblieben. Wenn der große Assuer sich nicht Esther erbarmt hätte, wäre ihr ganzes Volk an einem Tag umgekommen. Wenn Josef nicht nach Ägypten hinabgestiegen wäre, wären seine Brüder an Hunger gestorben. Wenn der Herr nicht in den brennenden Dornbusch herabgestiegen wäre, wären die Israeliten unter dem Joch des Pharao geblieben. Das heißt, wenn Christus aus Liebe zu uns nicht herabgestiegen wäre, um unsere Schwachheiten auf sich zu nehmen, wären wir Gefangene geblieben. Aber da der Herr vom Berg gestiegen ist, wagen es die Lahmen, die Blinden und jeder Kranke, sich ihm zu nähern, und alle werden geheilt. Aber was wäre geschehen, wenn er nicht herabgestiegen wäre? Es wäre uns großer Schaden geschehen. Was sagen wir von jenen, die, obwohl er herabgestiegen ist, um dem Kranken Gesundheit, dem Blinden das Augenlicht und dem Lahmen Heilung sowie dem Toten das Leben zu geben, die trotzdem blind, lahm, krank und tot sind, die nicht geheilt werden, weil sie sich dem Herrn nicht nähern? Wie stufen wir diese Leute ein? Was sollen wir von jenen Kranken denken, die zwar sehen, dass Jesus so viele Gunsterweise und Heilungen schenkte, und obwohl sie krank sind, kein Verlangen haben, Christus berühren zu können und so geheilt zu werden?
Vater, wir würden sagen, die wollen nicht gesunden, da sie ihre eigene Schwachheit lieben.
Und was würden wir sagen von einem, der Gefangener in der Hand der Türken wäre, diese ihm aber den Loskauf anböten, er aber ihn nicht annehmen wollte?
Vater, er liebt die Gefangenschaft, die übergroße Liebe zu seinem Herrn hält ihn gefesselt.
Ja, das ist die Wahrheit, es gibt keine andere. Der Grund ist, du hast Christus, dein Heil, verraten, so kommt dir keine Hilfe zu, denn du liebst die Sklaverei, du liebst die Sünde. Um sie zu tilgen, kam Christus, stieg vom Berg seiner Majestät und bestieg den Kalvarienberg. Du liebst die Sünde mehr als Christus. Der Tempel der Götzenbilder, das sind die Sünden, und zu dessen Sturz trat Samson dem Tod entgegen, diesen Tempel, den du Samson vorziehst. Der Dämon, der dich gefangen hält, den liebst du mehr als den, der kam, um dich zu erlösen. Achte auf den großen Verrat, den du begehst. Was wird wegen dieses Verrats geschehen? Welchen Einfluss hat das auf das Kommen Christi?
Dass Er vom Berg gestiegen ist, bringt nicht nur nicht Heil, sondern im Gegenteil Verderben, ja noch mehr Verderben, als wenn er nicht gekommen wäre; wie die Inkarnation größeres Gewicht hat auf der Waage unseres Heils, so hat sie größeres Gewicht bei der Verdammung des Menschen, der die Inkarnation sich nicht zunutze gemacht hat. Gott befahl im Gesetz, dass im Jubeljahr die Sklaven in Freiheit gesetzt werden, wenn aber einer im Jubeljahr gesagt hätte: „Ich bin anhänglich an meinen Herrn, und ich will ihn nicht verlassen", befiehlt Gott, wenn er so handeln sollte, bliebe er Sklave für immer. Schau und wende an.
Ich versichere euch, dass diese Leute, von denen wir im heutigen Evangelium gelesen haben, die vom Herrn geheilt wurden, sich am Tag des Gerichts erheben werden, um uns zu verdammen - was auch die Bewohner von Ninive mit denen von Israel machen werden - denn sie folgten Christus, sie holten ihn ein und wurden geheilt, nachdem sie die körperliche Heilung erfahren hatten; während wir, die wir mehr Kenntnis als jenes rohe Volk haben, für die Er sein Blut vergossen hat, wir wollen uns Ihm nicht nähern, um von noch größeren Krankheiten geheilt zu werden. So sehr unterscheiden wir uns von jenen, wie die Seele größer ist als der Leib, ja noch mehr, wie sehr Gott das Geschöpf überragt. Die Schwäche des Leibes ist verschieden von der der Seele, nicht wegen der Sünde, sondern wegen der Unwissenheit, der Irrtümer usw., zwischen diesen beiden Krankheiten ist ein Unterschied wie zwischen Leib und Seele. Wie wir durch die Sünde Gott verlieren, so durch die Krankheit die Gesundheit des Leibes, und so groß ist der Unterschied, wie zwischen Gott und der leiblichen Gesundheit.
Was für eine jämmerliche Sache ist das. Der Herr gewährte uns die Gnade, unter denen zu sein, die Christus folgen, und wir hassen seine Lehre und seine Predigt - wir wurden jedoch zum Glauben an Ihn berufen und so Christen zu werden - und wir sind so erhöht worden, und doch bleiben wir schwach, da wir uns nicht Christus nahen. Es ist zum Weinen! Naht euch also dem Heil und achtet darauf, wie es zu tun ist. Es genügt kein Gedränge, es muß euch gelingen, ihn zu berühren. Und das ist das Übel: Wir nähern uns Christus, aber wir berühren ihn nicht; und ist ein Übel in jenen, denen es gelingt, ihn zu berühren und gesund zu werden durch die Berührung, aber sie geben ihm nicht genügend Raum, denn je mehr man erbittet, umso mehr bekommt man, so wie die Gefäße der Witwe: je größer das Gefäß war, umso mehr Öl erhielt sie.
Ich garantiere euch, wenn ihr wüsstet, was es bedeutet, zu Christus zu gehen, würdet ihr nicht fliehen und würdet mehr Sehnsucht empfinden, ihn zu erreichen, wenn auch der Weg dornig und voll morastiger Wiesen ist. Nehmt Anteil an dem, was Er heute im Evangelium seinen Jüngern sagt: Selig die Armen usf. Sucht zu erfahren, was es bedeutet, zu Christus zu gelangen und seine Jünger zu sein. Wisset, dass das, was in den Augen der Welt als mühselig, armselig und demütigend erscheint, gerade das ist, das größeren Wert hat, als das, was die Nicht-Jünger für wertvoll halten. Überzeugt euch davon. Was fliehen die Söhne der Welt? Die Demut, das Weinen, die Verfolgungen. Was suchen sie? Die Reichtümer, die Ehren, die Freuden. Nun, wenn es so ist, hören wir den Herrn, der uns sagt, welcher Unterschied besteht zwischen dem Weinen seiner Schüler, das von der Welt verachtet wird und den Freuden der Weltkinder, die sie höher achten als alles andere. Höre den Anspruch, höre auf die Verschiedenheit: Das Weinen des Jüngers Christi ist Seligkeit, und die Freude des Weltkindes ist Ächzen, Schmerz und Unglück! Es sind Worte dessen, der nicht lügen kann, dessen, der sich nicht täuschen kann und der uns nicht täuschen kann.
Und wisset den Grund, dem Weinen, der Armut und der Verfolgung, die die Seinen erleiden, fügt Gott eine so schmackhafte Würze hinzu, die sie besser macht als alle Freuden und Reichtümer der Weltkinder. Und das geschieht vor allem um zu verstehen, dass das der Weg ist, um zu Gott zu gelangen und sich für immer an ihm zu erfreuen, ohne jedes Leid, ja der Herr selbst wird uns so sehr belohnen, dass er mit seinen eigenen Händen uns die Tränen abwaschen wird. Dank dieser Überzeugung verachtete Mose den Palast des Pharao und als Sohn seiner Tochter geehrt zu werden, und er zog es vor, verfolgt und verjagt zu werden. Respiciebat enim etc. Vide et die. Aus derselben Überzeugung verhielten sich viele andere Heilige in gleicher Weise. Und aus derselben Überzeugung entschließen sich viele junge Mädchen zu verachten usf. Wenn ihr noch einen anderen Beweggrund kennenlernen wollt, der imstande ist, die Tränen in Freude zu verwandeln und die Unbequemlichkeiten schmackhaft zu machen, so überlegt, dass das der Weg unseres Anführers ist. Denkt an das Beispiel Christi, der usf. Dic et amplia.
Darüber hinaus ist der Herr noch nicht zufrieden, er mildert nicht nur die Mühen seiner Knechte, indem er sie schmackhafter macht als alles, was in der Welt süß ist, sondern er zieht sie aus der Schande und macht sie zu Geehrten, die in Verfolgung waren, triumphieren, aus der Armut kommen die Reichsten. Schaut auf Mose, der es vorzog, lieber mit Gott verachtet zu werden, als ohne Gott geachtet zu sein, so wurde er vom Herrn erhöht und zum Führer und Herrscher einer besseren Bevölkerung, als wenn er Herr und König von ganz Ägypten geworden wäre, eine Ehre, die er verachtete. Schaut auf Josef, er wurde als Sklave verkauft und von seinen Brüdern verfolgt, in den Kerker geworfen wie ein Übeltäter, wurde dann aber zum Herrscher über ganz Ägypten erhoben und erhielt die Huldigungen derer, die ihn verkauft und verfolgt hatten. Schaut auf Mardochäus usf.
Welcher Unterschied zu denen, die Gott nicht dienen! Ihr Lachen wird Weinen; ihre Reichtümer werden Armut; ihr Befehlen wird Sklavendasein. Und das alles, weil sie Freude, Reichtümer und Glück suchen in Dingen voll Gift, das schon ihr Herz befleckt hat und sie sterben lässt, ehe sie es zum Munde führen. Sie gründen ihren eigenen Reichtum auf die Beherrschung des anderen, ihre eigene Freude auf die Unterdrückung des Nächsten, ihr eigenes Vergnügen auf Ausschweifung. Diese Dinge voll Gift und Schuld, die dich schon töten und das Herz verdunkeln, ehe du sie tust, ja schon wenn du sie begehrst. Und der Tod durch Sünden ist die schwerste aller Todesarten.
O weltlicher Mensch, o Mensch, der du Gott nicht dienen willst, das ist der Grund, weshalb dein Wohlergehen ohne Vergleich bejammernswerter ist als jegliche Not. Du aber legst dein Glück in das Trinken der Milch, die Sisara trank, und sie scheint dir schmackhaft, aber diese scheinbare Auserlesenheit dient dazu, dich sterben zu lassen. Das Wertvollste, das du hast, ist wie das Anerbieten Dalilas, mit dem sie dich einschläfert, dir die Augen auskratzt, dir Hände und Füße mit Ketten bindet und dich in einen Spottvogel für die Philister verwandelt. Das, was du mit so großer Inbrunst und Qual suchst und ersehnst, ist wie das Linsengericht Esaus, der im Tausch, um das Verlangen grobe Sinnlichkeit zu befriedigen, auf das Erbe des Himmels verzichtete, und was das Schlimmste ist, kaum ist der Tausch abgeschlossen, gehst du lachend weg, als wenn du nichts verloren hättest.
Willst du noch wissen, warum das größte Wohlergehen der Bösen viel bejammernswerter ist als das Schlimmste, das die Jünger Christi erleiden? Überlege, dass letztere für die Herrlichkeit bestimmt sind, während deine Freude sich in Weinen wendet; die guten Reichtümer, die dir zufallen ohne Sünde, die Ehren, die dir zuteilwerden ohne Sünde, die Freude, die du erfährst ohne Sünde, das alles schickt dir Gott wie klares Wasser, damit es, wenn es in deine Seele fällt, diese lindere und anleite, dem zu danken, der diese Güter schickt, du bist so beschaffen, dass du in dieses klare Wasser deine Unbedenklichkeit und den schlechten Gebrauch der Gaben Gottes wirfst und es umwandelst in Schlamm, der dich blendet und besudelt.
Wenn Gott dir Ehren gewährt, um dich anzustacheln, den zu lieben und dem zu dienen, der sie dir schickt, dankst du ihm nicht nur nicht, sondern im Gegenteil, du bedienst dich ihrer als Waffe gegen Gott und gegen deine eigene Seele, denn du wirst stolz auf sie und begehst mit ihnen Gewalttaten.
Et sic de aliis. Pone exempla, et poteris de hoc adducere exempla Scripturae. Quaere et invenies et pones haec, et sic finies.
Blick auf das nächtliche Ávila
Ihr habt mir viel Trost gebracht, indem Ihr gut befolgt habt, was wir, Ihr und ich, vereinbart hatten, um P. Portillo in der Betreuung der Armen zu gehorchen. Wenn Ihr es immer so machen würdet, würdet Ihr beruhigter leben können und ich auch. Ich habe nämlich große Angst, dass der Teufel, der aus Eurem eigenen Kopf entspringt, Euch täuscht.
Wenn er jemanden nämlich nicht dadurch überwinden kann, dass er ihn Böses tun lässt, dann gelingt es ihm dadurch, dass er ihn das Gute in ungeordneter Weise tun lässt. Und was keine Ordnung hat, kann auch keinen Bestand haben; sofort nämlich gibt es Spaltungen untereinander, indem die einen dahin und die anderen dorthin streben. So sagt schon der Herr im Evangelium, dass jedes Reich, das in sich gespalten ist, zugrunde geht (Mt 12,25; Lk 11,17). Bemüht Euch deshalb sehr darum, mein Bruder, Euch der Meinung anderer unterzuordnen; dann wird Euch der Teufel nicht täuschen. Ein Heiliger sagt nämlich, dass jemand, der nur an sich selbst glaubt, nicht vom Teufel versucht zu werden braucht, denn er ist für sich sein eigener böser Geist. Und wenn es Euch auch gut zu sein scheint, was Ihr macht, so wisset doch, dass der Teufel sowohl im Guten wie im Bösen Fallen stellt.
Am Anfang scheint Euch dann alles gut voranzugehen, aber am Schluss scheitert alles; es kommt zu Streitigkeiten und anderen Sünden, und man entdeckt dann die Fallstricke, die für den ausgelegt waren, der zu unklug war. Ich bitte Euch, mein Bruder, um der Liebe unseres Herrn willen noch einmal, tut mir den Gefallen und handelt jetzt der Vereinbarung gemäß und im Gehorsam so, bis der Herr es fügt, dass ich dorthin komme oder Ihr mich besuchen kommt, wo ich gerade bin. Denn wenn. ich dort bin, wo Ihr seid, macht es nicht viel aus, wenn Ihr auch ein bisschen in Verwirrung geratet. Aber in der Ferne müssen sich die Freunde und die gehorsamen Kinder ihren Eltern gegenüber als folgsam erweisen. Sie müssen aufmerksam sein und dürfen nichts tun, was ihnen missfällt, wenn sie es erfahren. Sie sollen vielmehr so leben, dass sie sich im Herrn freuen können, wenn sie sich sehen.
Und da es der Wille des Herrn war, dass ich mich um Euch kümmere, und da er uns in brüderlicher Liebe vereint hat, werden wir auch eins sein. Dann werdet Ihr sehen, wie der böse Feind flieht; mit der Hilfe Jesu Christi werden wir ihn bezwingen. Der Teufel bemüht sich nämlich gerade darum, diesen Gehorsam und diesen Frieden zu rauben, wie es der Wolf tut, wenn er ein Schaf reißen will: Zuerst trennt er es von der Herde und den anderen Schafen, und wenn es allein ist, stürzt er sich darauf. Glaubt nicht dem Betrüger, sondern unserem Herrn Jesus Christus, der den Gehorsam so sehr liebt; er war ja Unserer Lieben Frau und dem heiligen Josef gehorsam (Lk 2, 51). Das hat er getan, um uns ein Beispiel zu geben. Denn wenn er, der soviel wusste, denen gehorchte, die geringer waren als er, dann wollen wir aus Liebe zu ihm uns gegenseitig gehorchen und uns untertan sein.
Und gebt wohl Acht, wenn Ihr die Frauen, die Gott dienen wollen, zu Euch nehmt; sie sind ein großes Hindernis und verursachen Kosten. Es wäre besser, sie nicht in der Obhut haben zu müssen, sondern sie bald zu verheiraten oder bei Damen in Dienst zu geben; andernfalls würde alles verdorben und zugrunde gerichtet. Und wenn einer als Klatschmaul bekannt ist, sollt Ihr ihn in Euerer Gemeinschaft nicht dulden, denn solche werden schließlich das Hospital in Verruf bringen. Wenn es Euch als Mangel an Liebe erscheinen sollte, jemanden wegzuschicken, so täuscht Ihr Euch, denn wenn Ihr einem einzelnen nichts Unangenehmes zufügen wollt, stürzt Ihr manchmal viele ins Unglück. Wenn ein Glied krank ist, muss man es abschneiden, damit nicht der ganze Mensch verdorben wird. Und wenn jemand aus Mitleid dieses kranke Glied nicht lostrennen wollte, wäre das nicht Mitleid, sondern große Grausamkeit, denn man würde ja den ganzen Menschen töten, um nicht ein einzelnes Teil verwunden zu müssen.
So ist es auch, mein Bruder, manchmal nötig, etwas zu verweigern, was von uns verlangt wird, jemanden wegzuschicken, der für das Wohl des Hospitals nicht gut ist, und andere Dinge zu tun, von denen Ihr nichts wisst. Wenn Ihr Euch dabei von Euerem eigenen Urteil verlocken lasst, so täuscht Ihr Euch. Dann wird Gott Euch strafen, auch wenn Ihr glaubt, ihm zu dienen. Gott hat Euch nämlich nicht berufen, zu herrschen, sondern beherrscht zu werden, und deshalb dient Ihr ihm nur, wenn Ihr gehorcht. Ihr habt dann keine Verantwortung, denn er wird von Euch keine Rechenschaft fordern für das, was Ihr auf Anraten anderer getan habt. Wenn Ihr mich gern habt und mir gehorcht, werde ich Euch an meiner Stelle P. Portillo zuweisen. Was er Euch sagen wird, das sage ich Euch, und was Ihr mit ihm verhandelt, wird sein, als ob Ihr es mit mir verhandeln würdet, und dies so lange, bis es Gottes Wille ist, dass wir uns sehen.
Christus halte Euch immer an der Hand. Amen. Und bittet ihn für mich, wie ich es ebenso für Euch tue.
Landschaft in Zentralspanien
Ich habe Eueren Brief erhalten, aber Ihr sollt nicht sagen, ich erkenne Euch nicht als Sohn an, es sei denn, Ihr sagtet aus Demut, dass Ihr dies nicht verdient. Aus demselben Grund bin auch ich nicht würdig, Vater zu sein. So wäre es schlecht, wenn ich Euch verachten würde, da eher ich es verdiene, verachtet zu werden. Da aber unser Herr uns als die Seinen ansieht, auch wenn wir noch so schwach sind, so sollen wir daraus lernen, barmherzig und liebevoll miteinander zu sein, wie er es auch mit uns ist. Mein Bruder, ich wünsche sehr, dass Ihr Euch bewusst seid, was unser Herr Euch anvertraut hat, denn der gute und getreue Knecht muss fünf Talente hinzugewinnen zu den fünfen, die ihm gegeben worden sind (Mt 25,20). Dann wird er aus dem Mund des Herrn hören, können: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen (Mt 25,21). Sorgt Euch um das, was Euch anvertraut ist, und belügt Euch nicht selbst, sondern begreift, dass das, was Euch vor allem anvertraut worden ist, Ihr selbst seid. Was hilft es also, alle aus dem Schmutz herausgezogen zu haben, wenn Ihr selbst noch darin steckt?
Deshalb befehle ich Euch nochmals, Euch immer wieder einen freien Augenblick zu verschaffen, damit Ihr Euere Gebete verrichten könnt, damit Ihr jeden Tag die Messe und am Sonntag die Predigt besuchen könnt. Auf jeden Fall aber gebt Acht, dass Ihr mit Frauen nicht viel Umgang habt, denn wisset wohl: sie sind die Falle, die der Teufel aufstellt, um die Diener Gottes zu Fall zu bringen. Denkt daran, wie David gesündigt hat, weil er eine Frau angeschaut hat, und wie sein Sohn Salomo wegen vieler Frauen sündigte und sogar seine Klugheit verlor und Götzenbilder im Tempel des Herrn aufstellte. Wir sind ja noch viel schwächer als jene; fürchten wir uns also zu fallen und lernen wir von ihnen. Täuscht Euch nicht, indem Ihr sagt: Ich will ihnen helfen, denn hinter den guten Absichten lauern die Gefahren, wenn man nicht klug ist. Gott will nicht, dass ich für das Wohl anderer sorge, wenn meine eigene Seele dadurch Schaden leidet.
Wegen der Notlage, in der Ihr Euch befindet, habe ich Euch schon geschrieben, dass dies überall so ist. Wenn. wir hingehen und etwas verlangen, sagt man, dass es schon Mühe macht, den vorhandenen Verpflichtungen nachzukommen. Ich hatte gedacht, der Herzog von Sesa hätte Euch eine Gabe geschickt, denn man hat mir gesagt, er sei darum gebeten worden. Wenn er Euch nichts geschickt hat, so bittet ihn nochmals darum, und er wird Euch etwas schicken; er ist Euch nämlich sehr zugetan, weil Ihr Euch um die Armen kümmert. Andernfalls wird der Herr sorgen, wenn auch etwas später. Ich habe mich sehr gefreut wegen der liebevollen Aufnahme, die Ihr in dem erwähnten Hause gefunden habt, und richtet meine Grüße aus an alle, die Euch solche für mich aufgetragen haben.
Da ich unterwegs bin, schreibe ich Euch nichts weiter. Steht fest in Jesus Christus, denn er wird Euch helfen. Und hütet Euch, damit der böse Feind sich nicht freuen muss, Euch zur Sünde verleitet zu haben. Gott aber sieht Euere Buße für die Vergangenheit und Euere Besserung für die Zukunft. Sein Heiliger Geist sei mit Euch.
Amen.
Dorf in der andalusischen Sierra Nevada
Ich habe Eueren Brief erhalten. Glaubt nicht, dass es mir überdrüssig wird, wenn Ihr mir ausführlich schreibt, denn da die Liebe groß ist, kann auch der Brief nicht lang erscheinen. Ich bitte Euch, denkt daran, wie ich mich freue, angenehme Nachrichten von Euch zu erhalten, wenn Ihr mir schreibt oder wenn ich sonst etwas von Euch höre. Und wenn Ihr mir nicht zur Last fallen wollt, so seid nicht träge, dies auch zu tun, selbst wenn es Euch etwas kosten sollte. Die Liebe zeigt sich nicht in Worten, sondern in Werken, und sie zeigt sich am meisten, wenn es uns mehr kostet, was wir für die tun, die wir lieben.
Bedenkt wohl, mein Bruder, wie teuer unserem Herrn das Gute zu stehen kam, das er in Euere Seele gelegt hat. Wenn er Euch einen Tropfen von dem Blut geschenkt hätte, das es ihn gekostet hat, so würdet Ihr ihn mit äußerster Sorgfalt auf bewahren. So müsst Ihr es auch mit dem Guten tun, das er in Euere Seele gelegt hat. Er hat es Euch nicht geschenkt, indem er es auf irgendeine Weise für Euch gewonnen hat, sondern indem er es auf dem Kalvarienberg für Euch erkämpft hat; er hat das Leben verloren, damit Ihr es gewinnt. Und was würde das wohl bedeuten, den Schweinen vorzuwerfen (Mt 7,6), was unser Herr Euch gegeben hat, damit Ihr den Engeln gleich seid? Was wäre es, wenn Ihr die Schönheit verlieren würdet, die er in die Seelen gelegt hat, durch die sie wohlgefälliger und schöner sind als die Sonne selbst?
Es ist besser zu sterben als gegen unseren Herrn unredlich zu sein. Unser Herr sagt nämlich, wie sein Diener sein soll, den er über sein Gesinde setzt: treu und klug (Mt 25,23; 24,45) Um treu zu sein, muss er auch klug sein, denn wenn keine Klugheit vorhanden ist, dann stürzt der Mensch in tausend Dinge, die Gott nicht wohlgefällig sind, und seine Torheit wird mit fürchterlicher Qual bestraft. Deshalb müssen wir ein für alle Mal lernen; es genügt, dass der Mensch nur ein einziges Mal töricht ist, um auf eigene Kosten für das ganze Leben daraus zu lernen. So wagt es auch der geprügelte Hund nicht, dorthin zurückzukehren, wo er die Prügel bekommen hat, und auch der Vogel kehrt nicht zur Falle zurück, der er entronnen ist. Denn wenn der Weise sich die Erfahrung anderer zunutze macht und wenn sogar der Dumme aus der eigenen Erfahrung lernt, was soll man dann von dem sagen, der auch nach vielen traurigen Erfahrungen noch nichts gelernt hat? Was verdient ein solcher anderes, als dass der Herr ihn ganz sich selbst überlässt, damit er zusammen mit den ganz Törichten, die zur Hölle fahren, bestraft werde? Wer besondere Gaben von Gott erhalten hat, wen er aus der Hölle herausgeholt und wem er die Befähigung für den Himmel geschenkt hat, der hat die große Verpflichtung, auf sich selbst und auf die Ehre Gottes zu achten. Je weiter wir in unserem Leben fortschreiten, desto schwieriger ist es, uns in unseren Sitten zu bessern. Es nützt nämlich wenig, gut begonnen zu haben, wenn wir schlecht enden.
Ein Jäger ärgert sich sehr, wenn er einen Vogel schon, gefangen in der Hand hatte und ihn, dann fortfliegen sieht, ohne ihn jemals wieder zu sehen, wenn er ihn, aber noch gar nicht in seiner Gewalt hatte, bereitet es ihm nicht so großen Ärger. So empfindet auch unser Herr größere Betrübnis, wenn er sieht, dass eine Seele, die er schon für sich gewonnen, gereinigt und zu seinem Tempel gemacht hatte, mit dem bösen Feind davongeht, größere Betrübnis als bei anderen, die ihm niemals gehört hatten. Auch der Teufel freut sich mehr, wenn er solche Seelen für sich gewinnt, die vorher Gott gedient hatten, als andere, die schon vorher schlecht waren. Deshalb, mein Bruder, müssen wir die Augen gut offen halten und das Banner unseres Herrn hochhalten, um ihm nicht diesen Schmerz und dem Teufel nicht dieses Vergnügen zu bereiten, dass wir den, einmal eingeschlagenen Weg verlassen. Da es nur noch ein kurzer Weg ist, so ruft von Herzen unseren Herrn an und vergesst nicht, zu beten und an der Messe teilzunehmen, denn das ist eine sehr gute Sache. Gebt Acht, dass Ihr Euch selbst nichts Übles antut, wenn Ihr darangeht, anderen Gutes zu tun. Passt auf, dass Euere Seele nicht Hunger leidet; wenn sie ausgehungert ist, wenn sie keinen Trost hat, wenn es ihr schlecht geht, was nützt dann all das Gute, das Ihr den anderen erweist? Unser Herr sagt ja: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber seine Seele verliert? (Lk 9,25; Mt 16,26).
Begreift, dass Ihr Gott dann am meisten wohlgefällig sein könnt, wenn Ihr Euere Seele vor ihm rein bewahrt. Das größte Werk der Barmherzigkeit, das Ihr vollbringen könnt, besteht darin, dass Ihr Euere Seele ihm wohlgefällig erhaltet. Deshalb wacht und betet (Mt 26,41; Mk 14,38), wie unser Herr sagt, damit der Teufel Euch nicht unversehens überrasche, der tausenderlei Nachstellungen und Fallstricke bereithält, um Euch zugrunde zu richten. Es freut mich auch, dass Ihr an den Hof geht, um die Herren von Kastilien um Hilfe zu bitten, damit Ihr Euch wenigstens nicht in Schulden stürzt, solange Ihr dort bleibt. Gebt auf Euch Acht, wenn Ihr dort seid und wenn Ihr wieder draußen seid, damit Ihr unserem Herrn dient und ihm die Ehre bringt, für die er Euch herangebildet hat. Er sei immer Euer Schutz und Euere Zuflucht. Amen.
Jene Person, die gebeten hatte, für Euch die Schulden bezahlen zu dürfen in der Absicht, dass Ihr dann eine andere Aufgabe übernehmt, muss der Teufel in menschlicher Gestalt sein, der Euch mit den Worten täuschen will: es ist keine Sünde. Sie wollte erreichen, dass Ihr die Berufung verliert, die Gott Euch geschenkt hat. Der heilige Paulus sagt, dass jeder in dem Stand bleiben soll, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat (1 Kor 7,20; Eph 4,1). Denn wenn Gott will, dass ich ihm als Kammerdiener diene, ich aber nur Schweine hüten will, dann versündige ich mich gegen Gott und muss ihm über alles Rechenschaft geben, was ich in der anderen Beschäftigung mir hätte verdienen können. Und wenn Euch, mein Bruder, eine noch so glänzende Erscheinung sagen würde, sie sei ein Engel Gottes, und sie würde Euch eine derartige Botschaft bringen, dann sagt diesem Wesen, dass es nichts anderes als der Teufel ist und dass Ihr den Weg nicht verlassen wollt, auf den Gott Euch gestellt hat. Im Evangelium hat er j a gesagt: Wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet (Mt 10,22; 24,13). Lest diesen Brief mehrmals, und Gott bewahre Euch vor allem Bösen. Amen.
Ich habe keine Kleidungsstücke, die ich Euch jetzt schicken könnte. Zum Ausgleich werde ich Messen für Euch lesen lassen; sie werden Euch besseren Schutz bieten.